Sitzung: 01.06.2022 Kreistag
Beschluss: zur Kenntnis genommen
Herr Dr. Berger übergibt das
Wort an Herrn Illmer, Amtsleiter des Landwirtschaftsamtes.
Dieser bringt eingangs zum
Ausdruck, dass die Landwirtschaft ein essentieller Bestandteil der Wirtschaft
sei und vor dem Hintergrund des Klimawandels und weiter wachsender
Weltbevölkerung an Bedeutung gewinne. Die Krisensituationen der vergangenen
Jahre hätten gezeigt, wie abhängig das Leben und die hiesige Wirtschaft von
sog. Dritten geworden sei. Zur Vermeidung von Abhängigkeiten müsste die
regionale Wirtschaft und Landwirtschaft sowie die regionale Produktion weiter
ins Licht gerückt werden.
Auch im Landkreis müssten die
Herausforderungen, wie Veränderung des lokalen Klimas durch zunehmende
Extremwetterlagen, steigender Preise für Betriebsmittel sowie von europäischer
und nationaler Politik geforderte Veränderungen erkannt werden. Fehlende
regionale Wertschöpfungsketten und zunehmender Arbeits- und Fachkräftemangel
kämen hinzu. Immer mehr Landwirte würden sich durch die Energiekrise in den
Energiesektor gedrängt fühlen und die Nahrungsmittel- mit der Energieproduktion
würden konkurrieren. Weitere wirtschaftliche Konsequenzen stellte gerade im
Landkreis Oder-Spree die Bekämpfung der Afrikanischen Schweinepest (ASP) dar.
Er fordert die Anwesenden
auf, darüber nachzudenken bzw. zu entscheiden, ob im Landkreis regional
produziert werden sollte, ob produzierte Güter (Bsp.: Tiere) zur weiteren
Verarbeitung über lange Ressourcen verbrauchende Wege transportiert werden
sollten oder alles daran gesetzt werden sollte, kurze Wege vom Rohprodukt über
den Verarbeiter zum Verbraucher zu ermöglichen. Er stellt es in Fragen, ob es zugelassen
werden sollte, dass Landwirte in Ermangelung von Nachfolgeregelungen ihre
Flächen an finanzkräftige Landwirte im Agrarsektor aus weit entfernten Regionen
abgeben, welche diese dann als Stilllegungsflächen missbrauchen würden, um in
ihrer eigenen Region nicht stilllegen zu müssen? Die damit verbundene Prämie
verbleibe somit nicht im Landkreis, sondern gehe in ein anderes Bundesland.
Der Landkreis hätte es in der
Hand, über zu steuernde Reize einzugreifen, Fördern und Fordern sei hier die
Devise.
Der Vorsitzende informiert im
Auftrag von Frau Teltewskaja über ein Schreiben, das gemeinsam mit den Landkreisen
Oder-Spree, Märkisch-Oderland, Dahme-Spree und Spree-Neiße nach der Würdigung
der Leistungen durch den Bundesminister Özdemir verfasst und mit welchem
weitere finanzielle Mittel und Unterstützung erbeten worden seien.
Insofern richtet er die Bitte
an die Landtags- und Bundestagsabgeordneten, diese Botschaft weiterzutragen. (Der
Brief liegt dem Protokoll als Anlage bei.)
Herr Dr. Tanneberger, stellv.
Geschäftsführer des Kreisbauernverbandes Oder-Spree, hebt den positiven Dialog
zwischen dem Bereich der Landwirtschaft, dem Kreistag und der Kreisverwaltung
sowie der Bevölkerung hervor. Da die weiteren Redner auf einige Details der
Arbeit und Probleme der Landwirtschaft eingehen werden würden, versuche er, die
schwierige Gesamtsituation zu schildern und fünf Megatrends vorzustellen.
Es folgen Ausführungen zum
-
demografischen
Wandel, der nicht zu beeinflussen sei (Bsp.: Bevölkerungsdichte),
-
ökologischen
Wandel (Bsp.: Acker-/Waldflächen sowie Straßen-/Gebäudeflächen),
-
ökonomischen
Wandel (Bsp.: Wirtschaft, internationaler Handel, Regionalität),
-
gesellschaftlichen
Wandel (Bsp.: Meinung der Bevölkerung über die Landwirtschaft),
-
agrarpolitischen
Wandel (Bsp.: EU-Politik),
was insgesamt einen
Strukturwandel mit sich bringe. So hätten z. B. die Zahl der Betriebe
zugenommen, insbes. Einzelunternehmen, was auf eine stabile Agrarstruktur
hindeute. Wie der Trend weiterginge, sei eine Frage der Einflussgrößen
(europäische Agrarpolitik, Skalenökonomie, Lebensart).
Auf Nachfrage teilt Herr Dr.
Tanneberg mit, dass die Qualität des ökologischen Landbaus erreicht werden
sollte, jedoch durch den Einsatz eines integrierten Pflanzenschutzes
(bedarfsbezogener Pflanzenschutz).
Als weiterer Redner erhält
Herr Kläber, Vorstand des KBV sowie Vorstand und Pflanzenbauleiter der
Agrargenossenschaft Ranzig, das Wort und gibt einen Überblick über den
Getreideanbau im Landkreis Oder-Spree. Dieser sei relativ konstant, könne aber
keine regionale Vermarktung erfahren, sondern es müsse global gedacht werden.
Grund dafür seien hohe Standards und hohe Weltmarktpreise. Weitere Probleme
stellten die Trockenheit und die politischen Rahmenbedingungen dar. So würden
z. B. neue Technologien eingesetzt, weniger gepflügt werden, das
Strip-Till-Verfahren (streifenförmige Bodenbearbeitung) genutzt werden, um z.
B. Wasser und Energie zu sparen.
Weitere Herausforderungen
stellten das Personalproblem, z. B. bei der Lehrstellenbesetzung und der
Arbeitskräftegewinnung - Arbeitskräfte würden abgeworben werden - sowie der
enorme Flächenverlust dar.
Die Wirtschaftlichkeit gerate
durch die Rahmenpolitik bzw. die Agrarpolitik der EU und des Bundes ins Wanken.
So müssten die Energie- und Getreidepreise gegenübergestellt werden und hätten
enormen Einfluss auf die weitere Entwicklung. Der Trend zur ökologischen
Produktion sei positiv zu bewerten, sich jedoch die Vermarktung aufgrund der
Umstände schwierig gestalten. Auch in den anderen Bereichen der Landwirtschaft
klafften der politische Wille und der Markt weit auseinander.
Energieproduktion
(Photovoltaik-, Biogas-, Windkraftanlagen) bedeute eine Konkurrenz zur
Nahrungsmittel- und Futterproduktion, aber auch ein zweites Standbein in
Krisensituationen.
Herr Kläber hebt folgende
Punkte hervor:
-
ideologische
Unterstützung der Landwirtschaft (Produktionshallen seien keine Störfaktoren),
-
Anerkennung als
wichtiger Wirtschaftszweig,
-
stärkere interdisziplinäre
Zusammenarbeit,
-
Lösungen finden,
z. B. Umgehungsstraßen.
Er sei der Auffassung, dass
die Landwirtschaft mehr Wertschätzung erfahren müsse und bedankt sich in diesem
Zusammenhang für die Zusammenarbeit mit dem Landwirtschafts-/Veterinäramt des
Landkreises.
Herr Meise, Abgeordneter des
Kreistages, Vorstandsmitglied KBV, GF Fürstenwalder Agrarprodukte GmbH
Buchholz, berichtet aus dem Bereich der Milchwirtschaft, unterstreicht die
Bedeutung der Landwirtschaft in Bezug auf die Lebensmittelproduktion und dass
diese mehr Aufmerksamkeit erfordere. Leider sei in den vergangenen Jahren zu
verzeichnen, dass die Steigerung der Preise der Milchprodukte die Vollkosten
der deutschen Milchbauern nicht decken würden. Das hätte dazu geführt, dass ein
massiver Strukturwandel erfolge: weniger Milchbauern mit großen Tierbeständen
und erhöhter Milchproduktion. Trotz der Verarbeitung in den Molkereien, des
Exportes sowie auch Importes (Käse usw.) sei eine Überproduktion vorhanden,
auch im Landkreis Oder-Spree; es könne nicht ausreichend Milch verarbeitet bzw.
abgesetzt werden. Die Auswirkungen des
Klimawandels, der Weltmarktpreise, der Milchersatzprodukte bekämen nunmehr alle
zu spüren.
Ziel sei es, das Kostenmanagement
und die Produktion zu optimieren und sich ggf. um eine Direktvermarktung zu
bemühen. Die Unterstützung des Landkreises für die letzten Milchbauern sei
dringend erforderlich, um die Selbstversorgungsfähigkeit und Warenströme
aufrecht zu erhalten.
Herr Daniels, Vorsitzender
der Interessengemeinschaft Schweinezucht Brandenburg und GF des
Schweinezuchtbetriebes Lindenberg GbR, informiert, dass nach Marktkapriolen,
Bauvorhaben und Seuchen (ASP) die Veredlungsproduktion in seinem Betrieb
derzeit ruhe und dass die Situation sehr verfahren und die Prognose nicht
Erfolg versprechend sei. Die Erträge würden die Kosten keinesfalls decken, die
Nachfrage nach Fleisch sei gesunken und würde dieses aus dem europäischen
Ausland eingeführt und billiger verkauft werden.
Die Situation stelle sich
sehr dramatisch, nur noch 10 % des jahrelangen Sauenbestandes wären
übriggeblieben und würde sich in den Mastbeständen aufgrund der ASP und der
aktuellen Marktlage die Situation weiter verschlechtern, wenn die Schweinehalter
nicht bald entschädigt werden würden. Die Gefahr der Einschleppung der ASP
bestehe weiterhin, obwohl der Schutz durch Zäune an der polnischen Grenze
großflächig vorhanden sei. Die Möglichkeit der Versicherung für die Tiere wäre
vorhanden, jedoch erfolge die Zahlung der Versicherung jeweils nur für ein
Jahr, was bedeute, alle zusätzlichen Kosten selbst zu tragen oder aber die
Haltung zu beenden. Die deutlich geringeren Erlöse aus dem Verkauf der Ferkel
und die fehlende Vermarktung hätten ihn dazu veranlasst, den Betrieb zu
schließen. Ohne einen Versicherungsschutz fehle die Grundlage der
Wiedereröffnung.
Weiterhin würden in Zukunft
Kosten auf die Schweinehalter hinzukommen, wie z. B. für die Luftwäsche
(Immissionsrecht), die neue Nutztierverordnung, die Preise für Futter
(Getreide) aufgrund des Krieges in der Ukraine, was insgesamt die
Wettbewerbsfähigkeit in Frage stelle.
Herr Daniels informiert
weiter, dass sich die Situation in der Geflügelhaltung nicht ganz so dramatisch
gestalte, da die Schlachtung und Vermarktung nicht diesen Umfang der
Beeinträchtigung erfahren habe.
Auf Nachfrage von Frau
Lehmann erklärt Herr Kläber, dass die Erzeugerpreise (z. B. für Futtergetreide)
zu hoch wären, um z. B. Getreide kostengünstig regional anzubieten. Daher sei
man gezwungen, das Getreide an den globalen Markt zu liefern und von den
höheren Preisen zu profitieren.
Herr Daniels ergänzt, dass
die Futterkosten bis zu 70 % gestiegen seien, was bedeute, dass pro Ferkel 15
bis 18 Euro und in der Schweinemast bis zu 40 Euro pro Schwein mehr verlangt
werden müssten. Hier drehe man sich im Kreis, da der freie Markt den Handel und
letztlich den Preis bestimme. Eine
regionale Vermarktung sehe er schwierig, da die gesamten zusätzlichen Kosten
auf den Verbraucher umgelegt werden müssten, die aus der Erfahrung heraus gern
auch zu billigeren Produkten greifen würden.
Im weiteren Verlauf berichtet
Frau Lehmann, Abgeordnete und Betreiberin im Familienunternehmen eines
Schlachthofes, über die schwierige Situation bezüglich der Vorschriften, die
seitens der EU einzuhalten seien, denn es gäbe einen großen Unterschied
zwischen einem Familienbetrieb und einem Großunternehmen. Es beginne mit dem
Fach-/ Arbeitskräftemangel, weder stünden Lehrlinge noch Arbeitskräfte, die den
Ansprüchen genügen würden, zur Verfügung und könne man insgesamt in der
Marktwirtschaft so nicht bestehen. Die regionale Vermarktung, ob Milch, Fleisch
oder Obst gehe dadurch immer weiter zurück. Das Kaufverhalten der Menschen habe
sich so geändert, dass der Absatz nicht ausreichend sei.
Sie bittet alle Anwesenden
darum, den Unmut der Erzeuger und die dramatische Situation der Landwirtschaft
laut werden zu lassen, so dass die Politik zum Handeln gezwungen werde.
Herr Schulze, Vorstand KBV
Oder-Spree und Inhaber eines bäuerlichen Familienunternehmens mit
Direktvermarktung in Görzig, schildert, dass der Verkauf von Milch und
Kartoffeln im größeren Umfang oft erst möglich gewesen sei, wenn durch die
Großmärkte die Versorgungssicherheit nicht mehr bestanden hätte. Er denke, dass
hier ein Ansatz für die regionale Vermarktung bestehe und ein Umdenken erfolgen
könnte.
Kurze Transportwege, die
Schaffung von Arbeitsplätzen und letztendlich die Wertschätzung der Region
sprächen für sich, zumal hier zu erkennen sei, was und wie etwas produziert
wird.
Durch das Pflegen der
Kundenkontakte würde sich das Bild über die Landwirtschaft in den Köpfen der
Bevölkerung ändern.
Es sollte darauf geachtet
werden, dass die Produkte innerhalb der Region z. B. in den Gaststätten oder in
Märkten, verarbeitet und angeboten werden. Erste Erfahrungen gäbe es bereits,
jedoch bedeute es einen täglichen Überlebenskampf, ob für die Obstbauern,
Fleischereien, Fischereien oder Imkereien. So könne sein Unternehmen z. B. die
gesamte Stadt Beeskow mit Kartoffeln versorgen und hätte er es abgelehnt,
Produkte nach Berlin zu fahren. Gastronomien, Kantinen und öffentliche
Einrichtung in der Region sollten einbezogen werden, und wenn nur einmal die
Woche ein Produkt aus der Region auf der Liste stehen würde.
Abschließend lädt er ein,
sich live in Görzig ein Bild von dem Familienbetrieb zu machen.
Als letzte Rednerin stellt
Frau Sonnenberg, Regionale Planungsgemeinschaft Oder-Spree, das Projekt
Regionalmanagement zur Unterstützung des Markenbildungsprozesses für die Region
Oderland-Spree vor, welches die angesprochenen Probleme aufgreife und mittels
Vernetzung Unterstützungsmöglichkeiten biete. Die Idee sei entstanden durch die
Tesla-Ansiedlung bzw. das Tesla-Umfeldprojekt, da ein vermehrtes Interesse an
der Region zu verzeichnen sei.
Die Vielfalt der Region, z.
Bsp. im Tourismus, in der Wirtschaft, in der Kunst und Kultur, Natur und im
Sport, sollte unter einer „Dachmarke“ zusammengefasst und vermarktet werden.
Man verspreche sich dadurch
eine stärkere Wirkung nach außen.
Die Strategie bedeute, dass
die einzelnen Akteure einbezogen bzw. zusammengeschlossen werden würden, die
voneinander profitieren könnten. Ziel der „Dachmarke“ sei es auch, die Region
als lebenswert, als Wirtschafts- und Lebensraum, Arbeits- und Freizeitraum
weltweit zu vermarkten. Fachkräftemangel und Gewerbeflächenmangel spielten
hierbei eine große Rolle. Schwerpunktthemen würden erarbeitet werden, um danach
die Strategie auszurichten. In Workshops sollten diese Themen zusammengefasst,
erörtert und danach ein fundiertes Konzept erarbeitet und parallel würde eine
Image-Analyse über die Region erstellt werden.
So könnte durch die bereits
erstellte Web-Seite ein umfassender Blick auf die Region ermöglicht werden und
sich auch die Landwirtschaft, Bsp. Direktvermarktung, besser präsentieren.
Die Teilnahme an Messen sei
geplant, um einerseits weitere Kontakte mit anderen Regionen zu knüpfen und
andererseits die Region Oderland-Spree unter anderem in einer Broschüre (Landkreise
LOS, MOL und FF/O) zu präsentieren.
Zusammenfassend weist Frau
Sonnenberg darauf hin, dass in den westlichen Bundesländern Regionalmarken
bereits einen festen Stellenwert hätten, was sie sich auch für diese Region
erhoffe. Sie verweist auf die Web-Seite: www.oderland-spree.de.
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