Beschluss: zur Kenntnis genommen

Herr Dr. Berger übergibt das Wort an Herrn Illmer, Amtsleiter des Landwirtschaftsamtes.

 

Dieser bringt eingangs zum Ausdruck, dass die Landwirtschaft ein essentieller Bestandteil der Wirtschaft sei und vor dem Hintergrund des Klimawandels und weiter wachsender Weltbevölkerung an Bedeutung gewinne. Die Krisensituationen der vergangenen Jahre hätten gezeigt, wie abhängig das Leben und die hiesige Wirtschaft von sog. Dritten geworden sei. Zur Vermeidung von Abhängigkeiten müsste die regionale Wirtschaft und Landwirtschaft sowie die regionale Produktion weiter ins Licht gerückt werden.

Auch im Landkreis müssten die Herausforderungen, wie Veränderung des lokalen Klimas durch zunehmende Extremwetterlagen, steigender Preise für Betriebsmittel sowie von europäischer und nationaler Politik geforderte Veränderungen erkannt werden. Fehlende regionale Wertschöpfungsketten und zunehmender Arbeits- und Fachkräftemangel kämen hinzu. Immer mehr Landwirte würden sich durch die Energiekrise in den Energiesektor gedrängt fühlen und die Nahrungsmittel- mit der Energieproduktion würden konkurrieren. Weitere wirtschaftliche Konsequenzen stellte gerade im Landkreis Oder-Spree die Bekämpfung der Afrikanischen Schweinepest (ASP) dar.

Er fordert die Anwesenden auf, darüber nachzudenken bzw. zu entscheiden, ob im Landkreis regional produziert werden sollte, ob produzierte Güter (Bsp.: Tiere) zur weiteren Verarbeitung über lange Ressourcen verbrauchende Wege transportiert werden sollten oder alles daran gesetzt werden sollte, kurze Wege vom Rohprodukt über den Verarbeiter zum Verbraucher zu ermöglichen. Er stellt es in Fragen, ob es zugelassen werden sollte, dass Landwirte in Ermangelung von Nachfolgeregelungen ihre Flächen an finanzkräftige Landwirte im Agrarsektor aus weit entfernten Regionen abgeben, welche diese dann als Stilllegungsflächen missbrauchen würden, um in ihrer eigenen Region nicht stilllegen zu müssen? Die damit verbundene Prämie verbleibe somit nicht im Landkreis, sondern gehe in ein anderes Bundesland.

Der Landkreis hätte es in der Hand, über zu steuernde Reize einzugreifen, Fördern und Fordern sei hier die Devise.

 

Der Vorsitzende informiert im Auftrag von Frau Teltewskaja über ein Schreiben, das gemeinsam mit den Landkreisen Oder-Spree, Märkisch-Oderland, Dahme-Spree und Spree-Neiße nach der Würdigung der Leistungen durch den Bundesminister Özdemir verfasst und mit welchem weitere finanzielle Mittel und Unterstützung erbeten worden seien.

Insofern richtet er die Bitte an die Landtags- und Bundestagsabgeordneten, diese Botschaft weiterzutragen. (Der Brief liegt dem Protokoll als Anlage bei.)

 

Herr Dr. Tanneberger, stellv. Geschäftsführer des Kreisbauernverbandes Oder-Spree, hebt den positiven Dialog zwischen dem Bereich der Landwirtschaft, dem Kreistag und der Kreisverwaltung sowie der Bevölkerung hervor. Da die weiteren Redner auf einige Details der Arbeit und Probleme der Landwirtschaft eingehen werden würden, versuche er, die schwierige Gesamtsituation zu schildern und fünf Megatrends vorzustellen.

Es folgen Ausführungen zum

 

-       demografischen Wandel, der nicht zu beeinflussen sei (Bsp.: Bevölkerungsdichte),

-       ökologischen Wandel (Bsp.: Acker-/Waldflächen sowie Straßen-/Gebäudeflächen),

-       ökonomischen Wandel (Bsp.: Wirtschaft, internationaler Handel, Regionalität),

-       gesellschaftlichen Wandel (Bsp.: Meinung der Bevölkerung über die Landwirtschaft),

-       agrarpolitischen Wandel (Bsp.: EU-Politik),

 

was insgesamt einen Strukturwandel mit sich bringe. So hätten z. B. die Zahl der Betriebe zugenommen, insbes. Einzelunternehmen, was auf eine stabile Agrarstruktur hindeute. Wie der Trend weiterginge, sei eine Frage der Einflussgrößen (europäische Agrarpolitik, Skalenökonomie, Lebensart).

Auf Nachfrage teilt Herr Dr. Tanneberg mit, dass die Qualität des ökologischen Landbaus erreicht werden sollte, jedoch durch den Einsatz eines integrierten Pflanzenschutzes (bedarfsbezogener Pflanzenschutz).

 

Als weiterer Redner erhält Herr Kläber, Vorstand des KBV sowie Vorstand und Pflanzenbauleiter der Agrargenossenschaft Ranzig, das Wort und gibt einen Überblick über den Getreideanbau im Landkreis Oder-Spree. Dieser sei relativ konstant, könne aber keine regionale Vermarktung erfahren, sondern es müsse global gedacht werden. Grund dafür seien hohe Standards und hohe Weltmarktpreise. Weitere Probleme stellten die Trockenheit und die politischen Rahmenbedingungen dar. So würden z. B. neue Technologien eingesetzt, weniger gepflügt werden, das Strip-Till-Verfahren (streifenförmige Bodenbearbeitung) genutzt werden, um z. B. Wasser und Energie zu sparen.

Weitere Herausforderungen stellten das Personalproblem, z. B. bei der Lehrstellenbesetzung und der Arbeitskräftegewinnung - Arbeitskräfte würden abgeworben werden - sowie der enorme Flächenverlust dar.

Die Wirtschaftlichkeit gerate durch die Rahmenpolitik bzw. die Agrarpolitik der EU und des Bundes ins Wanken. So müssten die Energie- und Getreidepreise gegenübergestellt werden und hätten enormen Einfluss auf die weitere Entwicklung. Der Trend zur ökologischen Produktion sei positiv zu bewerten, sich jedoch die Vermarktung aufgrund der Umstände schwierig gestalten. Auch in den anderen Bereichen der Landwirtschaft klafften der politische Wille und der Markt weit auseinander.

Energieproduktion (Photovoltaik-, Biogas-, Windkraftanlagen) bedeute eine Konkurrenz zur Nahrungsmittel- und Futterproduktion, aber auch ein zweites Standbein in Krisensituationen.

Herr Kläber hebt folgende Punkte hervor:

 

-       ideologische Unterstützung der Landwirtschaft (Produktionshallen seien keine Störfaktoren),

-       Anerkennung als wichtiger Wirtschaftszweig,

-       stärkere interdisziplinäre Zusammenarbeit,

-       Lösungen finden, z. B. Umgehungsstraßen.

 

Er sei der Auffassung, dass die Landwirtschaft mehr Wertschätzung erfahren müsse und bedankt sich in diesem Zusammenhang für die Zusammenarbeit mit dem Landwirtschafts-/Veterinäramt des Landkreises.

 

Herr Meise, Abgeordneter des Kreistages, Vorstandsmitglied KBV, GF Fürstenwalder Agrarprodukte GmbH Buchholz, berichtet aus dem Bereich der Milchwirtschaft, unterstreicht die Bedeutung der Landwirtschaft in Bezug auf die Lebensmittelproduktion und dass diese mehr Aufmerksamkeit erfordere. Leider sei in den vergangenen Jahren zu verzeichnen, dass die Steigerung der Preise der Milchprodukte die Vollkosten der deutschen Milchbauern nicht decken würden. Das hätte dazu geführt, dass ein massiver Strukturwandel erfolge: weniger Milchbauern mit großen Tierbeständen und erhöhter Milchproduktion. Trotz der Verarbeitung in den Molkereien, des Exportes sowie auch Importes (Käse usw.) sei eine Überproduktion vorhanden, auch im Landkreis Oder-Spree; es könne nicht ausreichend Milch verarbeitet bzw. abgesetzt werden.  Die Auswirkungen des Klimawandels, der Weltmarktpreise, der Milchersatzprodukte bekämen nunmehr alle zu spüren.

Ziel sei es, das Kostenmanagement und die Produktion zu optimieren und sich ggf. um eine Direktvermarktung zu bemühen. Die Unterstützung des Landkreises für die letzten Milchbauern sei dringend erforderlich, um die Selbstversorgungsfähigkeit und Warenströme aufrecht zu erhalten.

 

Herr Daniels, Vorsitzender der Interessengemeinschaft Schweinezucht Brandenburg und GF des Schweinezuchtbetriebes Lindenberg GbR, informiert, dass nach Marktkapriolen, Bauvorhaben und Seuchen (ASP) die Veredlungsproduktion in seinem Betrieb derzeit ruhe und dass die Situation sehr verfahren und die Prognose nicht Erfolg versprechend sei. Die Erträge würden die Kosten keinesfalls decken, die Nachfrage nach Fleisch sei gesunken und würde dieses aus dem europäischen Ausland eingeführt und billiger verkauft werden.

Die Situation stelle sich sehr dramatisch, nur noch 10 % des jahrelangen Sauenbestandes wären übriggeblieben und würde sich in den Mastbeständen aufgrund der ASP und der aktuellen Marktlage die Situation weiter verschlechtern, wenn die Schweinehalter nicht bald entschädigt werden würden. Die Gefahr der Einschleppung der ASP bestehe weiterhin, obwohl der Schutz durch Zäune an der polnischen Grenze großflächig vorhanden sei. Die Möglichkeit der Versicherung für die Tiere wäre vorhanden, jedoch erfolge die Zahlung der Versicherung jeweils nur für ein Jahr, was bedeute, alle zusätzlichen Kosten selbst zu tragen oder aber die Haltung zu beenden. Die deutlich geringeren Erlöse aus dem Verkauf der Ferkel und die fehlende Vermarktung hätten ihn dazu veranlasst, den Betrieb zu schließen. Ohne einen Versicherungsschutz fehle die Grundlage der Wiedereröffnung.

Weiterhin würden in Zukunft Kosten auf die Schweinehalter hinzukommen, wie z. B. für die Luftwäsche (Immissionsrecht), die neue Nutztierverordnung, die Preise für Futter (Getreide) aufgrund des Krieges in der Ukraine, was insgesamt die Wettbewerbsfähigkeit in Frage stelle.  

Herr Daniels informiert weiter, dass sich die Situation in der Geflügelhaltung nicht ganz so dramatisch gestalte, da die Schlachtung und Vermarktung nicht diesen Umfang der Beeinträchtigung erfahren habe.

 

Auf Nachfrage von Frau Lehmann erklärt Herr Kläber, dass die Erzeugerpreise (z. B. für Futtergetreide) zu hoch wären, um z. B. Getreide kostengünstig regional anzubieten. Daher sei man gezwungen, das Getreide an den globalen Markt zu liefern und von den höheren Preisen zu profitieren.

 

Herr Daniels ergänzt, dass die Futterkosten bis zu 70 % gestiegen seien, was bedeute, dass pro Ferkel 15 bis 18 Euro und in der Schweinemast bis zu 40 Euro pro Schwein mehr verlangt werden müssten. Hier drehe man sich im Kreis, da der freie Markt den Handel und letztlich den Preis bestimme.  Eine regionale Vermarktung sehe er schwierig, da die gesamten zusätzlichen Kosten auf den Verbraucher umgelegt werden müssten, die aus der Erfahrung heraus gern auch zu billigeren Produkten greifen würden.

 

Im weiteren Verlauf berichtet Frau Lehmann, Abgeordnete und Betreiberin im Familienunternehmen eines Schlachthofes, über die schwierige Situation bezüglich der Vorschriften, die seitens der EU einzuhalten seien, denn es gäbe einen großen Unterschied zwischen einem Familienbetrieb und einem Großunternehmen. Es beginne mit dem Fach-/ Arbeitskräftemangel, weder stünden Lehrlinge noch Arbeitskräfte, die den Ansprüchen genügen würden, zur Verfügung und könne man insgesamt in der Marktwirtschaft so nicht bestehen. Die regionale Vermarktung, ob Milch, Fleisch oder Obst gehe dadurch immer weiter zurück. Das Kaufverhalten der Menschen habe sich so geändert, dass der Absatz nicht ausreichend sei.

Sie bittet alle Anwesenden darum, den Unmut der Erzeuger und die dramatische Situation der Landwirtschaft laut werden zu lassen, so dass die Politik zum Handeln gezwungen werde.    

 

Herr Schulze, Vorstand KBV Oder-Spree und Inhaber eines bäuerlichen Familienunternehmens mit Direktvermarktung in Görzig, schildert, dass der Verkauf von Milch und Kartoffeln im größeren Umfang oft erst möglich gewesen sei, wenn durch die Großmärkte die Versorgungssicherheit nicht mehr bestanden hätte. Er denke, dass hier ein Ansatz für die regionale Vermarktung bestehe und ein Umdenken erfolgen könnte.

Kurze Transportwege, die Schaffung von Arbeitsplätzen und letztendlich die Wertschätzung der Region sprächen für sich, zumal hier zu erkennen sei, was und wie etwas produziert wird.

Durch das Pflegen der Kundenkontakte würde sich das Bild über die Landwirtschaft in den Köpfen der Bevölkerung ändern.

Es sollte darauf geachtet werden, dass die Produkte innerhalb der Region z. B. in den Gaststätten oder in Märkten, verarbeitet und angeboten werden. Erste Erfahrungen gäbe es bereits, jedoch bedeute es einen täglichen Überlebenskampf, ob für die Obstbauern, Fleischereien, Fischereien oder Imkereien. So könne sein Unternehmen z. B. die gesamte Stadt Beeskow mit Kartoffeln versorgen und hätte er es abgelehnt, Produkte nach Berlin zu fahren. Gastronomien, Kantinen und öffentliche Einrichtung in der Region sollten einbezogen werden, und wenn nur einmal die Woche ein Produkt aus der Region auf der Liste stehen würde. 

Abschließend lädt er ein, sich live in Görzig ein Bild von dem Familienbetrieb zu machen.

 

Als letzte Rednerin stellt Frau Sonnenberg, Regionale Planungsgemeinschaft Oder-Spree, das Projekt Regionalmanagement zur Unterstützung des Markenbildungsprozesses für die Region Oderland-Spree vor, welches die angesprochenen Probleme aufgreife und mittels Vernetzung Unterstützungsmöglichkeiten biete. Die Idee sei entstanden durch die Tesla-Ansiedlung bzw. das Tesla-Umfeldprojekt, da ein vermehrtes Interesse an der Region zu verzeichnen sei.

Die Vielfalt der Region, z. Bsp. im Tourismus, in der Wirtschaft, in der Kunst und Kultur, Natur und im Sport, sollte unter einer „Dachmarke“ zusammengefasst und vermarktet werden.

Man verspreche sich dadurch eine stärkere Wirkung nach außen.

Die Strategie bedeute, dass die einzelnen Akteure einbezogen bzw. zusammengeschlossen werden würden, die voneinander profitieren könnten. Ziel der „Dachmarke“ sei es auch, die Region als lebenswert, als Wirtschafts- und Lebensraum, Arbeits- und Freizeitraum weltweit zu vermarkten. Fachkräftemangel und Gewerbeflächenmangel spielten hierbei eine große Rolle. Schwerpunktthemen würden erarbeitet werden, um danach die Strategie auszurichten. In Workshops sollten diese Themen zusammengefasst, erörtert und danach ein fundiertes Konzept erarbeitet und parallel würde eine Image-Analyse über die Region erstellt werden.

So könnte durch die bereits erstellte Web-Seite ein umfassender Blick auf die Region ermöglicht werden und sich auch die Landwirtschaft, Bsp. Direktvermarktung, besser präsentieren.

Die Teilnahme an Messen sei geplant, um einerseits weitere Kontakte mit anderen Regionen zu knüpfen und andererseits die Region Oderland-Spree unter anderem in einer Broschüre (Landkreise LOS, MOL und FF/O) zu präsentieren.

Zusammenfassend weist Frau Sonnenberg darauf hin, dass in den westlichen Bundesländern Regionalmarken bereits einen festen Stellenwert hätten, was sie sich auch für diese Region erhoffe. Sie verweist auf die Web-Seite: www.oderland-spree.de.

 

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