Betreff
Neuregelung der Umsatzbesteuerung der juristischen Person des öffentlichen Rechts (§ 2b Umsatzsteuergesetz)
Vorlage
056/2016
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Der Kreistag nimmt die Änderungen zum Umsatzsteuerrecht zur Kenntnis und ermächtigt den Landrat, den notwendigen Antrag zur Ausübung des Optionsrechts beim zuständigen Finanzamt zu stellen.

 

 

Sachdarstellung:

 

Durch das Steueränderungsgesetz 2015 vom 02.11.2015 wurde das Umsatzsteuerrecht für juristische Personen des öffentlichen Rechts wesentlich geändert. Diese Änderungen betreffen auch den Landkreis Oder-Spree.

Nach bisherigem Recht (§ 2 Abs. 3 UStG a.F.) sind juristische Personen des öffentlichen Rechts bisher nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art (BgA) sowie ihrer land- und forstwirtschaftlichen Betriebe unternehmerisch tätig. Die Vermögensverwaltung (entgeltliche Überlassung von Grundstücken, die Einräumung von Rechten, Nutzungsüberlassung etc.), Tätigkeiten unter der sog. Bagatellgrenzen (bisher 30.678 €) sowie Beistandsleistungen zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts (Amtshilfe oder interkommunale Zusammenarbeit) wurden von der Finanzverwaltung als nicht umsatzsteuerbar behandelt.

Die seit Anfang 2016 geltende  und grundsätzlich ab dem 01.01.2017 anzuwendende neue § 2b UStG reformiert die Umsatzbesteuerung der juristischen Personen des öffentlichen Rechts.

Danach sind Leistungen einer juristischen Person des öffentlichen Rechts (Z.B. des Landkreises) grundsätzlich umsatzsteuerbar. Selbst die „Leistungen“ im Rahmen der öffentlichen Gewalt sind umsatzsteuerpflichtig, sofern keine „Monopolstellung“ der juristischen Person des öffentlichen Rechts besteht und eine Behandlung als Nichtunternehmer zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde.

Bagatellumsätze aus gleichartigen Tätigkeiten von bis zu 17.500 € (neu) im Kalenderjahr oder vergleichbare, auf privatrechtlicher Grundlage erbrachte Leistungen, die ohne Recht auf Verzicht einer Steuerbefreiung unterliegen, sind ebenfalls von der Umsatzbesteuerung ausgenommen.

Darüber hinaus  werden bestimmte Tätigkeiten generell der Umsatzbesteuerung unterworfen, z.B. Telekommunikation, Personenbeförderung, Veranstaltung von Messen und Ausstellungen mit gewerblichem Charakter, Umsätze von Kantinen usw..

Auch die bisher nicht als umsatzsteuerbar behandelten Beistandleistungen des Landkreises gegenüber anderen Personen des öffentlichen Rechts sind nunmehr grundsätzlich der Umsatzbesteuerung unterworfen. Der Landkreis wird nur dann nicht als Unternehmer eingestuft, wenn er besondere Voraussetzungen erfüllt und insbesondere die Zusammenarbeit mit Dritten in bestimmter Form regelt.

Der Abschluss langfristiger öffentlich-rechtlicher Verträge kann die Umsatzbesteuerung unter Erfüllung von weiteren Voraussetzungen verhindern. Maßgeblich ist in diesem Zusammenhang, dass der Vertrag nicht nur als öffentlich-rechtlicher bezeichnet wird, sondern auch einen öffentlich-rechtlichen Regelungsinhalt hat. Dies ist alles unter umsatzsteuerlichen Kriterien zu prüfen.

Vom § 2 b UStG (neu) sind prinzipiell erst einmal alle Tätigkeiten im Rahmen der Amtshilfe und der interkommunalen Kooperation, die bisher als Beistandsleistung und damit als nicht steuerbar eingestuft worden sind, betroffen. Sie könnten also zukünftig entgegen der bisherigen Praxis der Umsatzbesteuerung unterliegen. Bisherige gegenteilige Auffassungen der Finanzverwaltung haben vor dem Hintergrund der neuen Rechtslage keinen Bestand mehr. Damit sind alle Tätigkeiten, die gegen Ersatz der  Kosten erfolgen oder in denen gegenseitige Beistandsleistungen gewährt werden (tauschähnliche Umsätze), einer Prüfung zu unterziehen. Dies gilt auch für Tätigkeiten  gegen Kostenerstattung oder Zahlung von Mitgliedsbeiträgen zwischen Kommunen und Kommunalverbänden.

Die neue Rechtslage eröffnet dem Landkreis allerdings auch Chancen, unter umsatzsteuerlichen Gesichtspunkten unternehmerisch tätig zu werden und Vorsteuern geltend zu machen. Dies kann insbesondere bei Investitionstätigkeiten wirtschaftlich von Vorteil sein; voreilige Schlüsse können aber hieraus nicht gezogen werden, da es im Einzelfall immer einer umfassenden wirtschaftlichen Betrachtung über den gesamten „Lebenszyklus“ einer Investition bedarf.

Die Rechtsänderung ist grundsätzlich ab dem 01.01.2017 anzuwenden. Der Landkreis kann jedoch gegenüber dem zuständigen Finanzamt einmalig erklären, dass er die alte Rechtslage (längstens bis zum 31.12.2020) weiter anwenden möchte. Diese Erklärung ist zwingend bis zum 31.12.2016 abzugeben. Sie kann in den Folgejahren bis 2020 jederzeit für das jeweils folgende Kalenderjahr widerrufen werden. Der Widerruf gilt jedoch dann für die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit des Landkreises im Sinne des neuen § 2 b UStG. Eine „Rosinenpickerei“ ist nicht möglich.

Die damit notwendigen Ermittlungs-, Vor- und Umsetzungsarbeiten sind so umfangreich, dass sie in 2016 nicht erledigt werden konnten. Erste Anwendungsschreiben des Bundesfinanzministeriums lagen erst in der zweiten Jahreshälfte vor. Da der Gesetzgeber eine recht komplizierte Regelung mit Grundsätzen, Ausnahmen und Rückausnahmen unter Verwendung vieler unbestimmter Rechtsbegriffe geschaffen hat, wird die  Verwaltung das gefundene Ergebnis auch extern von einem Wirtschaftsprüfer/Steuerberatungsunternehmen überprüfen lassen. Bei einer neuen Regelung liegen notwendigerweise auch keine Erfahrungen anderer Verwaltungen vor, auf die man zurückgreifen könnte. Wegen des vergleichsweise hohen Hebesatzes von 19 % auf den Umsatz, ist hier besondere Umsicht geboten, da im ungünstigsten Fall eine entsprechende Verteuerung der Verwaltungsleistungen erfolgen kann.

Schlussfolgernd bedeutet dies, dass zur Fristwahrung der sog. Optionsantrag beim zuständigen Finanzamt bis zum 31.12.2016 zu stellen ist.