Beschlussvorschlag:
Der
Kreistag nimmt die Änderungen zum Umsatzsteuerrecht zur Kenntnis und ermächtigt
den Landrat, den notwendigen Antrag zur Ausübung des Optionsrechts beim
zuständigen Finanzamt zu stellen.
Sachdarstellung:
Durch das Steueränderungsgesetz 2015 vom 02.11.2015 wurde das
Umsatzsteuerrecht für juristische Personen des öffentlichen Rechts wesentlich
geändert. Diese Änderungen betreffen auch den Landkreis Oder-Spree.
Nach bisherigem Recht (§ 2 Abs. 3 UStG a.F.) sind juristische Personen
des öffentlichen Rechts bisher nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art
(BgA) sowie ihrer land- und forstwirtschaftlichen Betriebe unternehmerisch
tätig. Die Vermögensverwaltung (entgeltliche Überlassung von Grundstücken, die
Einräumung von Rechten, Nutzungsüberlassung etc.), Tätigkeiten unter der sog.
Bagatellgrenzen (bisher 30.678 €) sowie Beistandsleistungen zwischen
juristischen Personen des öffentlichen Rechts (Amtshilfe oder interkommunale
Zusammenarbeit) wurden von der Finanzverwaltung als nicht umsatzsteuerbar
behandelt.
Die seit Anfang 2016 geltende und
grundsätzlich ab dem 01.01.2017 anzuwendende neue § 2b UStG reformiert die
Umsatzbesteuerung der juristischen Personen des öffentlichen Rechts.
Danach sind Leistungen einer juristischen Person des öffentlichen Rechts
(Z.B. des Landkreises) grundsätzlich umsatzsteuerbar. Selbst die „Leistungen“
im Rahmen der öffentlichen Gewalt sind umsatzsteuerpflichtig, sofern keine
„Monopolstellung“ der juristischen Person des öffentlichen Rechts besteht und
eine Behandlung als Nichtunternehmer zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen
würde.
Bagatellumsätze aus gleichartigen Tätigkeiten von bis zu 17.500 € (neu)
im Kalenderjahr oder vergleichbare, auf privatrechtlicher Grundlage erbrachte
Leistungen, die ohne Recht auf Verzicht einer Steuerbefreiung unterliegen, sind
ebenfalls von der Umsatzbesteuerung ausgenommen.
Darüber hinaus werden bestimmte
Tätigkeiten generell der Umsatzbesteuerung unterworfen, z.B. Telekommunikation,
Personenbeförderung, Veranstaltung von Messen und Ausstellungen mit
gewerblichem Charakter, Umsätze von Kantinen usw..
Auch die bisher nicht als umsatzsteuerbar behandelten Beistandleistungen
des Landkreises gegenüber anderen Personen des öffentlichen Rechts sind nunmehr
grundsätzlich der Umsatzbesteuerung unterworfen. Der Landkreis wird nur dann
nicht als Unternehmer eingestuft, wenn er besondere Voraussetzungen erfüllt und
insbesondere die Zusammenarbeit mit Dritten in bestimmter Form regelt.
Der Abschluss langfristiger öffentlich-rechtlicher Verträge kann die
Umsatzbesteuerung unter Erfüllung von weiteren Voraussetzungen verhindern.
Maßgeblich ist in diesem Zusammenhang, dass der Vertrag nicht nur als
öffentlich-rechtlicher bezeichnet wird, sondern auch einen
öffentlich-rechtlichen Regelungsinhalt hat. Dies ist alles unter umsatzsteuerlichen
Kriterien zu prüfen.
Vom § 2 b UStG (neu) sind prinzipiell erst einmal alle Tätigkeiten im
Rahmen der Amtshilfe und der interkommunalen Kooperation, die bisher als
Beistandsleistung und damit als nicht steuerbar eingestuft worden sind,
betroffen. Sie könnten also zukünftig entgegen der bisherigen Praxis der
Umsatzbesteuerung unterliegen. Bisherige gegenteilige Auffassungen der
Finanzverwaltung haben vor dem Hintergrund der neuen Rechtslage keinen Bestand
mehr. Damit sind alle Tätigkeiten, die gegen Ersatz der Kosten erfolgen oder in denen gegenseitige
Beistandsleistungen gewährt werden (tauschähnliche Umsätze), einer Prüfung zu
unterziehen. Dies gilt auch für Tätigkeiten
gegen Kostenerstattung oder Zahlung von Mitgliedsbeiträgen zwischen
Kommunen und Kommunalverbänden.
Die neue Rechtslage eröffnet dem Landkreis allerdings auch Chancen,
unter umsatzsteuerlichen Gesichtspunkten unternehmerisch tätig zu werden und
Vorsteuern geltend zu machen. Dies kann insbesondere bei
Investitionstätigkeiten wirtschaftlich von Vorteil sein; voreilige Schlüsse
können aber hieraus nicht gezogen werden, da es im Einzelfall immer einer
umfassenden wirtschaftlichen Betrachtung über den gesamten „Lebenszyklus“ einer
Investition bedarf.
Die Rechtsänderung ist grundsätzlich ab dem 01.01.2017 anzuwenden. Der
Landkreis kann jedoch gegenüber dem zuständigen Finanzamt einmalig
erklären, dass er die alte Rechtslage (längstens bis zum 31.12.2020) weiter
anwenden möchte. Diese Erklärung ist zwingend bis zum 31.12.2016 abzugeben. Sie
kann in den Folgejahren bis 2020 jederzeit für das jeweils folgende
Kalenderjahr widerrufen werden. Der Widerruf gilt jedoch dann für die gesamte
wirtschaftliche Tätigkeit des Landkreises im Sinne des neuen § 2 b UStG.
Eine „Rosinenpickerei“ ist nicht möglich.
Die damit notwendigen Ermittlungs-, Vor- und Umsetzungsarbeiten sind so
umfangreich, dass sie in 2016 nicht erledigt werden konnten. Erste
Anwendungsschreiben des Bundesfinanzministeriums lagen erst in der zweiten
Jahreshälfte vor. Da der Gesetzgeber eine recht komplizierte Regelung mit
Grundsätzen, Ausnahmen und Rückausnahmen unter Verwendung vieler unbestimmter
Rechtsbegriffe geschaffen hat, wird die
Verwaltung das gefundene Ergebnis auch extern von einem Wirtschaftsprüfer/Steuerberatungsunternehmen
überprüfen lassen. Bei einer neuen Regelung liegen notwendigerweise auch keine
Erfahrungen anderer Verwaltungen vor, auf die man zurückgreifen könnte. Wegen
des vergleichsweise hohen Hebesatzes von 19 % auf den Umsatz, ist hier
besondere Umsicht geboten, da im ungünstigsten Fall eine entsprechende
Verteuerung der Verwaltungsleistungen erfolgen kann.
Schlussfolgernd bedeutet dies, dass zur Fristwahrung der sog.
Optionsantrag beim zuständigen Finanzamt bis zum 31.12.2016 zu stellen ist.