Betreff
Außer- und überplanmäßige Würdigung der Beschäftigten des kommunalen ÖPNV im Landkreis Oder-Spree
Vorlage
29/Fraktionen KT/2022
Art
Antrag

Beschlussvorschlag:

 

Der Landrat des Landkreises Oder-Spree wird beauftragt, mit den weiteren Gesellschaftern der Busverkehr Oder-Spree GmbH (BOS) und der Schöneicher-Rüdersdorfer-Straßenbahn GmbH (SRS) Verhandlungen zu Sonderzahlungen bzw. Betriebsvereinbarungen aufzunehmen:

 

(1)  Auszahlung der Inflationsausgleichsprämie in Höhe von bis zu 3.000 Euro für jeden Beschäftigten nach Tarifvertrag Nahverkehr Brandenburg (TV-N BRB) bis zum 31.12.2022,

(2)  [ausschließlich BOS] Vollständige Kostenerstattung der Selbstkosten für Führerscheinerwerb und –verlängerung durch den Arbeitgeber rückwirkend zum 01.01.2022,

(3)  Übernahme der Kosten für das Deutschlandticket für jeden Beschäftigten nach TV-N BRB ab 01.01.2023 durch den Arbeitgeber und

(4)  Bezahlung der hälftig bewerteten Wendezeiten nach § 9 Abs. 7 Satz 3 TV-N BRB zu 100 % und Erhöhung der Entschädigung von einmalig geteilten Diensten nach § 9 Abs. 6 Satz 1 TV-N BRB von 2 Euro auf 10 Euro ab 01.01.2023.

 

Begründung:

Mit einem offenen Brief vom 19.08.2022 hat sich der Betriebsrat der BOS bzgl. des personellen Notstands an die Gesellschafter DB Regio AG und Landkreis Oder-Spree sowie an alle Fraktionen des Kreistages Oder-Spree gewandt. Die personelle Ausnahmesituation wird durch fehlende Wertschätzung, schlechte tarifliche Bezahlung und einer sozial-unverträglichen Dienstgestaltung in der Berufsgruppe des Fahrpersonals sowie unzureichendem Personal verdeutlicht.

 

 

Am 26.10.2022 fand zwischen Vertretern des Betriebsrates der BOS, Vertretern aller Fraktionen des Kreistages und der Kreisverwaltung eine Diskussion zu Standpunkten des Gesellschafters, des Aufgabenträgers für den kommunalen ÖPNV im Landkreis Oder-Spree und der Fraktionen des Kreistages statt.  Die durch den Betriebsrat geschilderte Situation wurde durch die Fraktionsvorsitzenden in der Außenwirkung bestätigt (hoher Ausfall, z. T. wenig kompetente Busfahrer). Um Abhilfe zu schaffen, wurden die verschiedenen Vorschläge und Strategien diskutiert.  Es wurde deutlich, dass entscheidenden Maßnahmen (Finanzierung des kÖPNV) nur durch Bund und Land umgesetzt werden können und damit nicht mit kurzfristigen Entscheidungen/ Umsetzungen zu rechnen ist. Trotzdem sollten diese angegangen werden und von Seiten des Landkreises Druck aufgebaut werden. (Siehe beiliegendes Schreiben an Minister Beermann)

 

In der Diskussion wurde deutlich, dass vom Landkreis erwartet wird, dass er seine Möglichkeiten als Gesellschafter voll ausschöpft. Die Kreisverwaltung wurde von den Fraktionsvorsitzenden aufgefordert, diese Problematiken im nächsten Finanzausschuss zu thematisieren.

 

Im Landkreis Oder-Spree bestehen drei öffentliche Dienstleistungsaufträge (öDA) im kommunalen ÖPNV. Neben der BOS für den Busverkehr existieren zwei weitere öDA’s für den Betrieb der Straßenbahnlinien 87 und 88 durch die SRS. Die BOS hat zwei Gesellschafter (DB Regio AG [51,17 %], Landkreis Oder-Spree [48,83 %]) und die SRS besteht aus drei Gesellschaftern (NEB AG [70 %], Gemeinde Schöneiche [15 %], Gemeinde Woltersdorf [15 %]). Der Landkreis Oder-Spree ist an der SRS mittelbar durch eine Beteiligung an der NEB AG [3,375 %] beteiligt.

 

Zu den Maßnahmen:

 

(1)  Durch Zustimmung des Bundestages und Bundesrates hat die Bundesregierung ab 26.10.2022 die Möglichkeit gegeben, dass Arbeitgeber ihren Beschäftigten einen steuer- und abgabefreien Betrag von bis zu 3.000 Euro in Form einer Inflationsausgleichsprämie gewähren können. Der arbeitgeberseitige Auszahlungswille an Beschäftigte der BOS und SRS ist dem Landkreis Oder-Spree nicht bekannt, sollte aber durch die Gesellschafter – zumindest anteilig nach Unternehmenszugehörigkeit - angestrebt werden.

 

(2)  Für Berufskraftfahrer, die mindestens 2 Jahre im Besitz eines Führerscheins der Klasse B sind, fallen für den Erwerb der Busfahrer-Qualifikation durchschnittliche Kosten in Höhe von 9.710 Euro an. Die Kosten übernimmt seit 2022 die BOS, um neues Fahrpersonal zu gewinnen. Zusätzlich sind für ärztliche und behördliche Nachweise durch das Fahrpersonal Kosten in Höhe von 511,50 Euro zu kalkulieren. Auch diese Kosten übernimmt die BOS, wenn eine individuelle Qualifizierungsvereinbarung mit Bindungswirkung für 5 Jahre und entsprechende Rückzahlungsklausel bei Ausscheiden vor Ablauf der 5 Jahre zwischen Bewerber und der BOS abgeschlossen wird.

 

Für die Verlängerung der Berufskraftfahrerqualifikation müssen alle 5 Jahre durch das Fahrpersonal Selbstkosten in Höhe von ca. 367,50 Euro übernommen werden (zusätzlich zu dem notwendigen zeitlichen Aufwand von rund 10 Stunden). Die BOS übernimmt einen Kostenanteil für die Verlängerung der Fahrerkarte in Höhe von ca. 44 Euro.

 

Die SRS übernimmt die Kosten für den Erwerb bzw. Verlängerung der erforderlichen Qualifikationen vollständig. Gleiches ist auch bei der BOS anzustreben.

 

(3)  Das in der Bund-Länder-Konferenz vom 02. November 2022 beschlossene Deutschlandticket, ermöglicht die bundesweite Nutzung von Nah- und Regionalverkehr für 49 Euro im Monat. Die Bereitstellung dieses Tickets für das Fahrpersonal ist ein attraktives Instrument sowohl für die Akquise von neuem als auch für die Wertschätzung von bestehendem Fahrpersonal. Seit Januar 2022 können Arbeitnehmern Sachbezüge im Wert von bis zu 50 Euro pro Monat steuer- und sozialversicherungsfrei zugewendet werden.

 

(4)  Wendezeiten im ÖPNV sind Dienstbestandteile zwischen zwei Lenkzeitblöcken, die nicht als Pause oder Bereitschaftszeit herangezogen werden. Laut § 9 Abs. 7 TV-N BRB werden Wendezeiten, die innerhalb einer Dienstschicht 60 Minuten überschreiten, nur zu 50 % als bezahlte Arbeitszeit gewertet. Andere Tarifverträge treffen diese Einschränkung nicht und bewerten auch diese Dienstbestandteiltypen mit 100 %.

 

Weiter sollen laut § 9 Abs. 5 TV-N BRB möglichst „ungeteilte Dienste eingerichtet werden“. Aufgrund von Hauptverkehrszeiten mit hohen Fahrgastnachfragen sind geteilte Dienste im kommunalen ÖPNV gängige Praxis. Die Dauer der Teilung beträgt in der Regel zwischen 2 bis 5 Stunden und wird gemäß § 9 Abs. 6 Satz 1 TV-N BRB mit 2 Euro je Dienstteilung vergütet. Die Verhältnismäßigkeit zwischen Vergütung und Dauer einer Teilung ist zu prüfen. Längerfristig ist eine Dienstplanung möglichst ohne geteilte Dienste anzustreben.

 

 

Finanzielle Auswirkungen: Ja

 

Für die Verkehrsunternehmen BOS und SRS entstehen bei Umsetzung der o. g. Maßnahmen Kosten, die durch die Gesellschafter in angemessenen Teilen zu berücksichtigen sind.

 

(1)  Unter der Annahme, dass die Inflationsausgleichsprämie in maximaler Höhe von 3.000 Euro an alle zum Stichtag 01.11.2022 Tarifbeschäftigten nach TV-N BRB ausgezahlt wird, würden nachfolgende Maximalbeträge anfallen:

 

·         BOS (189 VZP) à 567.000 Euro einmalig

·         SRS (049 VZP) à 147.000 Euro einmalig

 

(2)  Unter der Annahme, dass die Kosten des Erwerbs der Berufskraftfahrerqualifikation vollständig durch die Verkehrsunternehmen übernommen werden, würden für die Gesellschafter keine zusätzlichen Kosten anfallen.

 

Unter der Annahme, dass die Selbstkosten der Verlängerung der Berufskraftfahrerqualifikation bei der BOS in Höhe von 367,50 Euro alle fünf Jahre vollständig durch die BOS übernommen werden, würden bei jährlich durchschnittlich 30 Verlängerungen Kosten in Höhe von 11.025 Euro p.a. anfallen. Die Aufteilung auf Jahresscheiben variiert im 5 Jahres-Zyklus stark.

 

Für die durchgeführten Führerscheinverlängerungen ab 01.01.2022 liegen dem Landkreis Oder-Spree keine Zahlen vor.

 

(3)  Unter der Annahme, dass die Kosten des Deutschlandtickets (49 Euro im Monat) ab 01.01.2023 an alle vsl. benötigten Tarifbeschäftigten nach TV-N BRB übernommen werden, würden nachfolgende Maximalbeträge anfallen:

 

·         BOS (210 VZP) à 123.480 Euro p.a.

·         SRS (055 VZP) à 032.340 Euro p.a.

 

(4)  Die SRS nutzt betrieblich weder geteilte Dienste noch zu 50 % bewertete Wendezeiten.

 

Für die BOS liegen aktuell keine Daten für zu 50 % bezahlte Wendezeitbestandteile vor. Unter der Annahme, dass 50 % der Jahreswendezeit (ca. 36.000 Stunden) nur hälftig bewertet wird und die nicht vergütete Zeit mit dem Stundenentgelt 16,56 € (Entgeltgruppe 5, Stufe 5 ab 01.10.2022) multipliziert wird, fallen zusätzliche Kosten von ca. 150.000 Euro für die BOS an. 

 

Im Status quo hat die BOS ca. 12.000 geteilte Dienste p.a., was zu tariflichen Kosten von ca. 24.000 Euro führt (2 Euro je Dienstteilung). Unter der Annahme einer Steigerung des Ausgleichsbetrags von 2 Euro auf 10 Euro je Dienstteilung, würden Mehrkosten von 96.000 Euro anfallen.

 

 

Diese Kosten sind haushaltstechnisch nicht abgesichert.

 

 

 

 

 

Anlagen:

 

-       Offener Brief des Betriebsrates der BOS vom 19.08.2022

-       Ergebnisprotokoll zum Termin vom 26.10.2022

-       Schreiben zur Finanzierung des kÖPNV an Minister Beermann vom 03. November