Beschlussvorschlag:
Der
Landrat des Landkreises Oder-Spree wird beauftragt, mit den weiteren
Gesellschaftern der Busverkehr Oder-Spree GmbH (BOS) und der
Schöneicher-Rüdersdorfer-Straßenbahn GmbH (SRS) Verhandlungen zu
Sonderzahlungen bzw. Betriebsvereinbarungen aufzunehmen:
(1) Auszahlung der Inflationsausgleichsprämie in
Höhe von bis zu 3.000 Euro für jeden Beschäftigten nach Tarifvertrag Nahverkehr
Brandenburg (TV-N BRB) bis zum 31.12.2022,
(2) [ausschließlich BOS] Vollständige
Kostenerstattung der Selbstkosten für Führerscheinerwerb und –verlängerung
durch den Arbeitgeber rückwirkend zum 01.01.2022,
(3) Übernahme der Kosten für das
Deutschlandticket für jeden Beschäftigten nach TV-N BRB ab 01.01.2023
durch den Arbeitgeber und
(4) Bezahlung der hälftig bewerteten Wendezeiten
nach § 9 Abs. 7 Satz 3 TV-N BRB zu 100 % und Erhöhung der Entschädigung von
einmalig geteilten Diensten nach § 9 Abs. 6 Satz 1 TV-N BRB von 2 Euro auf 10
Euro ab 01.01.2023.
Begründung:
Mit einem offenen Brief
vom 19.08.2022 hat sich der Betriebsrat der BOS bzgl. des personellen Notstands
an die Gesellschafter DB Regio AG und Landkreis Oder-Spree sowie an alle
Fraktionen des Kreistages Oder-Spree gewandt. Die personelle Ausnahmesituation
wird durch fehlende Wertschätzung, schlechte tarifliche Bezahlung und einer
sozial-unverträglichen Dienstgestaltung in der Berufsgruppe des Fahrpersonals
sowie unzureichendem Personal verdeutlicht.
Am 26.10.2022 fand
zwischen Vertretern des Betriebsrates der BOS, Vertretern aller Fraktionen des
Kreistages und der Kreisverwaltung eine Diskussion zu Standpunkten des
Gesellschafters, des Aufgabenträgers für den kommunalen ÖPNV im Landkreis
Oder-Spree und der Fraktionen des Kreistages statt. Die durch den Betriebsrat geschilderte
Situation wurde durch die Fraktionsvorsitzenden in der Außenwirkung bestätigt
(hoher Ausfall, z. T. wenig kompetente Busfahrer). Um Abhilfe zu schaffen,
wurden die verschiedenen Vorschläge und Strategien diskutiert. Es wurde deutlich, dass entscheidenden
Maßnahmen (Finanzierung des kÖPNV) nur durch Bund und Land umgesetzt werden
können und damit nicht mit kurzfristigen Entscheidungen/ Umsetzungen zu rechnen
ist. Trotzdem sollten diese angegangen werden und von Seiten des Landkreises
Druck aufgebaut werden. (Siehe beiliegendes Schreiben an Minister Beermann)
In der Diskussion wurde
deutlich, dass vom Landkreis erwartet wird, dass er seine Möglichkeiten als
Gesellschafter voll ausschöpft. Die Kreisverwaltung wurde von den
Fraktionsvorsitzenden aufgefordert, diese Problematiken im nächsten
Finanzausschuss zu thematisieren.
Im Landkreis Oder-Spree
bestehen drei öffentliche Dienstleistungsaufträge (öDA) im kommunalen ÖPNV.
Neben der BOS für den Busverkehr existieren zwei weitere öDA’s für den Betrieb
der Straßenbahnlinien 87 und 88 durch die SRS. Die BOS hat zwei Gesellschafter
(DB Regio AG [51,17 %], Landkreis Oder-Spree [48,83 %]) und die SRS besteht aus
drei Gesellschaftern (NEB AG [70 %], Gemeinde Schöneiche [15 %], Gemeinde
Woltersdorf [15 %]). Der Landkreis Oder-Spree ist an der SRS mittelbar durch
eine Beteiligung an der NEB AG [3,375 %] beteiligt.
Zu den Maßnahmen:
(1) Durch Zustimmung
des Bundestages und Bundesrates hat die Bundesregierung ab 26.10.2022 die
Möglichkeit gegeben, dass Arbeitgeber ihren Beschäftigten einen steuer- und
abgabefreien Betrag von bis zu 3.000 Euro in Form einer Inflationsausgleichsprämie
gewähren können. Der arbeitgeberseitige Auszahlungswille an Beschäftigte der
BOS und SRS ist dem Landkreis Oder-Spree nicht bekannt, sollte aber durch die
Gesellschafter – zumindest anteilig nach Unternehmenszugehörigkeit - angestrebt
werden.
(2) Für Berufskraftfahrer,
die mindestens 2 Jahre im Besitz eines Führerscheins der Klasse B sind, fallen
für den Erwerb der Busfahrer-Qualifikation durchschnittliche Kosten in
Höhe von 9.710 Euro an. Die Kosten übernimmt seit 2022 die BOS, um neues
Fahrpersonal zu gewinnen. Zusätzlich sind für ärztliche und behördliche
Nachweise durch das Fahrpersonal Kosten in Höhe von 511,50 Euro zu kalkulieren.
Auch diese Kosten übernimmt die BOS, wenn eine individuelle
Qualifizierungsvereinbarung mit Bindungswirkung für 5 Jahre und entsprechende
Rückzahlungsklausel bei Ausscheiden vor Ablauf der 5 Jahre zwischen Bewerber
und der BOS abgeschlossen wird.
Für die Verlängerung
der Berufskraftfahrerqualifikation müssen alle 5 Jahre durch das
Fahrpersonal Selbstkosten in Höhe von ca. 367,50 Euro übernommen werden
(zusätzlich zu dem notwendigen zeitlichen Aufwand von rund 10 Stunden). Die BOS
übernimmt einen Kostenanteil für die Verlängerung der Fahrerkarte in Höhe von
ca. 44 Euro.
Die SRS übernimmt
die Kosten für den Erwerb bzw. Verlängerung der erforderlichen Qualifikationen
vollständig. Gleiches ist auch bei der BOS anzustreben.
(3) Das in der
Bund-Länder-Konferenz vom 02. November 2022 beschlossene Deutschlandticket,
ermöglicht die bundesweite Nutzung von Nah- und Regionalverkehr für 49 Euro im
Monat. Die Bereitstellung dieses Tickets für das Fahrpersonal ist ein
attraktives Instrument sowohl für die Akquise von neuem als auch für die
Wertschätzung von bestehendem Fahrpersonal. Seit Januar 2022 können
Arbeitnehmern Sachbezüge im Wert von bis zu 50 Euro pro Monat steuer- und
sozialversicherungsfrei zugewendet werden.
(4) Wendezeiten im ÖPNV sind
Dienstbestandteile zwischen zwei Lenkzeitblöcken, die nicht als Pause oder
Bereitschaftszeit herangezogen werden. Laut § 9 Abs. 7 TV-N BRB werden Wendezeiten,
die innerhalb einer Dienstschicht 60 Minuten überschreiten, nur zu 50 % als
bezahlte Arbeitszeit gewertet. Andere Tarifverträge treffen diese Einschränkung
nicht und bewerten auch diese Dienstbestandteiltypen mit 100 %.
Weiter sollen laut § 9 Abs. 5 TV-N BRB möglichst
„ungeteilte Dienste eingerichtet werden“. Aufgrund von Hauptverkehrszeiten mit
hohen Fahrgastnachfragen sind geteilte Dienste im kommunalen ÖPNV
gängige Praxis. Die Dauer der Teilung beträgt in der Regel zwischen 2 bis 5
Stunden und wird gemäß § 9 Abs. 6 Satz 1 TV-N BRB mit 2 Euro je Dienstteilung
vergütet. Die Verhältnismäßigkeit zwischen Vergütung und Dauer einer Teilung
ist zu prüfen. Längerfristig ist eine Dienstplanung möglichst ohne geteilte
Dienste anzustreben.
Für die Verkehrsunternehmen
BOS und SRS entstehen bei Umsetzung der o. g. Maßnahmen Kosten, die durch die
Gesellschafter in angemessenen Teilen zu berücksichtigen sind.
(1)
Unter der Annahme, dass die Inflationsausgleichsprämie
in maximaler Höhe von 3.000 Euro an alle zum Stichtag 01.11.2022
Tarifbeschäftigten nach TV-N BRB ausgezahlt wird, würden nachfolgende
Maximalbeträge anfallen:
·
BOS (189 VZP) à 567.000
Euro einmalig
·
SRS (049 VZP) à 147.000
Euro einmalig
(2)
Unter der Annahme, dass die Kosten des Erwerbs
der Berufskraftfahrerqualifikation vollständig durch die
Verkehrsunternehmen übernommen werden, würden für die Gesellschafter keine
zusätzlichen Kosten anfallen.
Unter der Annahme, dass die Selbstkosten der Verlängerung
der Berufskraftfahrerqualifikation bei der BOS in Höhe von 367,50 Euro alle
fünf Jahre vollständig durch die BOS übernommen werden, würden bei jährlich
durchschnittlich 30 Verlängerungen Kosten in Höhe von 11.025 Euro p.a. anfallen. Die Aufteilung auf Jahresscheiben
variiert im 5 Jahres-Zyklus stark.
Für die durchgeführten Führerscheinverlängerungen
ab 01.01.2022 liegen dem Landkreis Oder-Spree keine Zahlen vor.
(3)
Unter der Annahme, dass die Kosten des Deutschlandtickets
(49 Euro im Monat) ab 01.01.2023 an alle vsl. benötigten Tarifbeschäftigten
nach TV-N BRB übernommen werden, würden nachfolgende Maximalbeträge anfallen:
·
BOS (210 VZP) à 123.480
Euro p.a.
·
SRS (055 VZP) à 032.340 Euro p.a.
(4)
Die SRS nutzt betrieblich weder geteilte Dienste
noch zu 50 % bewertete Wendezeiten.
Für die BOS liegen aktuell keine Daten für zu 50
% bezahlte Wendezeitbestandteile vor. Unter der Annahme, dass 50 % der
Jahreswendezeit (ca. 36.000 Stunden) nur hälftig bewertet wird und die nicht
vergütete Zeit mit dem Stundenentgelt 16,56 € (Entgeltgruppe 5, Stufe 5 ab
01.10.2022) multipliziert wird, fallen zusätzliche Kosten von ca. 150.000 Euro für die BOS an.
Im Status quo hat die BOS ca. 12.000 geteilte
Dienste p.a., was zu tariflichen Kosten von ca. 24.000 Euro führt (2 Euro je
Dienstteilung). Unter der Annahme einer Steigerung des Ausgleichsbetrags von 2
Euro auf 10 Euro je Dienstteilung, würden Mehrkosten von 96.000 Euro anfallen.
Diese Kosten sind haushaltstechnisch nicht abgesichert.
- Offener Brief des Betriebsrates der BOS vom 19.08.2022
- Ergebnisprotokoll zum Termin vom 26.10.2022
- Schreiben zur Finanzierung des kÖPNV an Minister Beermann vom 03.
November