Betreff
Richtlinie zur Förderung von Eltern-Kind-Zentren gemäß § 22 SGB VIII im Landkreis Oder-Spree
Vorlage
030/2016
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Der Kreistag beschließt die Richtlinie zur Förderung von Eltern-Kind-Zentren gemäß § 22 Sozialgesetzbuch Achtes Buch, Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) im Landkreis Oder-Spree.

 

Sachdarstellung:

 

Das Jugendamt ist gemäß § 22 SGB VIII (Förderung von Kindern in Kindertageseinrichtungen) in der Verantwortung - zusätzlich zu rechtsanspruchserfüllenden Angeboten der Kindertagesbetreuung - bedarfsgerechte und geeignete kinderfördernde und familienunterstützende Angebote zu installieren. Zielgruppe sind insbesondere Kinder im Alter von 0 bis 6 Jahren und ihre Familien, sowie werdende Eltern. Eltern-Kind-Zentren sollen die soziale, emotionale, körperliche und geistige Entwicklung des Kindes fördern und die Erziehung und Bildung in der Familie unterstützen und ergänzen. Sie erfüllen ihren Auftrag über eine ausgeprägte Vernetzung im Sozialraum und eine starke Einbindung von verschiedenen Kooperationspartnern, wie Erziehungs- und Familienberatungsstellen, Kinderärzte, Hebammen, lokale Netzwerke und Bündnisse für Kinder und Familien unter Einbeziehung von Ehrenamtsstrukturen. 

 

Seit mehreren Jahren fördert der Landkreis Eltern-Kind-Zentren im Amt Odervorland, in den Städten Eisenhüttenstadt, Beeskow, Storkow und Erkner sowie in den Gemeinden Grünheide und Woltersdorf mit jeweils 10.000 €. Eine kommunale Co-Finanzierung wird gesichert. Die momentane inhaltliche Ausgestaltung und Schwerpunktsetzung ist regional sehr unterschiedlich.

 

Es werden Bildungs-, Beratungs-, und Begegnungsangebote unterschieden. Die Angebote werden von der jeweils verantwortlichen Fachkraft des Eltern-Kind-Zentrums organisiert und durchgeführt. Je nach Thema bindet sie auch Kooperationspartner/innen, wie Hebammen, Kinderärzt/innen, Logopäd/innen, Physiotherapeut/innen oder Expert/innen aus Beratungsstellen ein.

Bildungsangebote finden z.B. zum Thema Alltagsbewältigung mit Kindern, Ernährung, Meilensteine der kindlichen Entwicklung, Bewegung, Trennungskinder und Kindeswohl statt. Zu den Beratungsangeboten gehören z.B. Erziehungs- und Familienberatung, Stillberatung, Konfliktberatung und Sozialberatung. Eingerahmt werden diese Angebote durch Begegnungsangebote, wie z.B. Krabbelgruppen und Elterncafès.

Die Angebote der Eltern-Kind-Zentren richten sich grundsätzlich an alle Eltern. Darüber hinaus werden Angebote für Eltern mit zusätzlichen Unterstützungsbedarfen je nach Bedarfslage gezielt an den Eltern-Kind-Zentren verortet.

 

Eine Befragung von 6 der 7 Eltern-Kind-Zentren (Woltersdorf konnte aus personellen Gründen nicht an der Befragung teilnehmen) ergab, dass die aktuell bestehenden Angebote von der Zielgruppe jährlich ca. 49.650 mal in Anspruch genommen werden. Davon werden in etwa 28.490 mal Bildungsangebote, 17.540 mal Begegnungsangebote und 3.620 mal Beratungsangebote in Anspruch genommen. Diese Zahlen stellen eine Hochrechnung der aktuellen Angebotsstruktur für das Jahr 2016 und deren Inanspruchnahme dar. Besonders stark vertreten in den Angeboten sind Personen in Elternzeit und Schwangere, darunter ein hoher Anteil Alleinerziehender. Auch Berufstätige nehmen die Angebote wahr. Entsprechend angepasst sind die Öffnungszeiten, Montag bis Freitag von 9.00 – 21.00 Uhr.

 

Positive Effekte durch die Angebote der Eltern-Kind-Zentren wurden von Eltern, kommunalen Vertreter/innen, Vertreter/innen von Kindertagesstätten und Kooperationspartner/innen im Rahmen der Befragung definiert. Beispiele dafür sind:

 

Perspektive der Eltern/ Kinder:

  • Schnelle und unkomplizierte Hilfe in Ernährungs- und Entwicklungsfragen der Säuglinge und Kleinkinder, Informations- und Erfahrungsaustausch
  • Beratung in familiär schwierigen Situationen und Überforderungssituationen
  • Anregungen zur sinnvollen kindgerechten und gesundheitsfördernden Freizeitgestaltung durch vielfältige und kostenlose gemeinsame Kurse für Eltern und Kind
  • Möglichkeit aus der Isolation zu kommen, soziale Kontakte mit anderen Eltern und Kindern sowie anderen Personen zu pflegen
  • Unterstützung bei der Strukturierung des Alltages mit Kind und beim Wiedereinstieg in das Berufsleben
  • Vermittlung in andere Hilfssysteme, Rat in behördlichen Angelegenheiten

 

Perspektive der kommunalen Vertreter/innen (Beeskow, Eisenhüttenstadt, Storkow, Erkner, Grünheide, Odervorland), der kooperierenden Kindertagesstätten (6) und der Kooperationspartner/innen (stellvertretend nahmen 18 an der Befragung teil):

  • Zugang zu Eltern, insbesondere zu isolierten, alleinstehenden Eltern möglich
  • Familien erhalten Überblickwissen und Kontaktvermittlung zu weiteren unterstützenden Angeboten, wie z.B. Erziehungs- und Familienberatung, Schuldner- und Insolvenzberatung, Mutter-Kind-Kuren, Pflege und Betreuung
  • schließt Betreuungslücke unmittelbar vor und nach der Geburt
  • Eingewöhnung in Kita wird dem Kind erleichtert
  • kostenloses Angebot grenzt niemanden aus
  • regt Selbsthilfe und Eigeninitiative der Eltern an
  • gerade im strukturschwachen ländlichen Raum ist es ein leicht erreichbares Angebot im Lebensraum der Familien
  • wichtiger Baustein für kinder- und familienfreundliche Kommune und generationsübergreifendes Zusammenleben

 

Perspektive des Jugendamtes/ Allgemeiner Sozialer Dienst:

  • Familien erhalten frühzeitig niedrigschwelligen Kontakt mit dem System der Jugendhilfe und erhalten entsprechende Beratungs- und Bildungsangebote
  • die elterliche Sensibilisierung für die Bedürfnisse des Kindes wird erhöht, was als allgemeines Schutzgut für ein Kind bewertet wird
  • Familien in belastenden Situationen erhalten frühzeitig durch Weitervermittlung zum Bereich der Hilfen zur Erziehung Unterstützungsangebote. Somit wäre eine schnellere, bedarfsgerechte Hilfeinstallation möglich und Familien können ihre Selbstlösungspotentiale eher aktivieren, was dem Aufwachsen der Kinder in ungünstigen, problembehafteten Lebenslagen entgegen wirkt.
  • Im Bereich der Hilfen zur Erziehung sowie bei den Meldungen zum Kinderschutz ist häufig die Familienform der Alleinerziehenden mit dem Belastungsfaktor der sozialen Isolation, als Stressfaktor anzutreffen. Durch die offenen Begegnungsangebote, als konstante Größe in der Lebenswelt, wird einer Vereinsamung entgegengewirkt.
  • durch die Begegnungsmöglichkeiten kommen Familien in Kontakt und "Lernen" voneinander, wo bestimmte Sachfragen sich eher klären lassen, als in einem professionellen Beratungssetting

 

Ziel ist folglich eine qualitative und quantitative Schärfung der Angebotsstruktur im Landkreis. Im Rahmen der Jugendhilfeplanung, auf der Grundlage von fortzuschreibenden „Planungsgrundsätzen zur Installierung von Eltern-Kind-Zentren im Landkreis-Oder-Spree“ (Anlage zur Richtlinie) und in Abstimmung mit den kreisangehörigen Ämtern, Städten und Gemeinden soll eine ausgewogene und bedarfsgerechte Angebotsstruktur im Landkreis entwickelt werden.

 

Danach soll in der Regel in jedem kreisangehörigen Amt sowie jeder kreisangehörigen Stadt und Gemeinde des Landkreises ein Eltern-Kind-Zentrum förderungsfähig sein. Bemessungsgrundlage für die Förderhöhe ist die Anzahl dort lebender Kinder im Alter von 0 bis 6 Jahren. Förderungsfähig sind Personalkosten der sozialpädagogischen Fachkraft und Sachaufwendungen:

  • 1,0 VZE ab 400 bis 1.000 Kinder
  • 0,5 VZE unter 400 Kinder.

Bei über 1.000 Kindern (betrifft Eisenhüttenstadt und Fürstenwalde) sind maximal 2 Eltern-Kind-Zentren förderungsfähig. Mit diesen Städten wird bei Bedarf die konkrete Stellenbemessung entsprechend ausgehandelt.

 

Die Angebotsstruktur bedarf einer angemessenen finanziellen Grundausstattung. Die Förderung von Personalkosten und Sachaufwendungen soll die Kontinuität der Eltern-Kind- Zentren und die Planungssicherheit für die Träger gewährleisten.

Die tatsächlichen Personalkosten von sozialpädagogischen Fachkräften bis zur Höhe einer vergleichbaren Vergütung nach dem TVöD/ Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst sind mit 50 % zuwendungsfähig. 20 % der geförderten Personalkosten werden zur Finanzierung der Sachaufwendungen bereitgestellt. Eine entsprechende Mitfinanzierung der kreisangehörigen Ämter, Städte und Gemeinden ist Voraussetzung.

 

Finanzielle Auswirkungen:

 

Die Richtlinie sieht die Förderung der Personalkosten des sozialpädagogischen Fachpersonals der Eltern-Kind-Zentren und der in diesem Rahmen entstehenden Sachaufwendungen vor.

 

Im Jahr 2017 ist von Personalkosten für 1,0 VZE von ca. 47.000 €/ Jahr auszugehen (davon 50%= 23.500 €/ Jahr Zuschuss Personalkosten plus 20% des Personalkostenzuschusses =  4.700 €/ Jahr Zuschuss Sachaufwendungen). Der Gesamtzuschuss für 1,0 VZE in 2017 beträgt folglich 28.200 €.

 

Für 7 bereits mit jeweils 10.000 € geförderte Eltern- Kind-Zentren werden bereits jährlich 70.000 € geplant. Im Jahr 2017 ist von einem Erhalt dieser und ihrem qualitativen Ausbau auszugehen sowie von 3 weiteren neu zu installierenden Zentren. Somit ist mit einem Ge-samtzuschussbedarf von insgesamt 267.900 € (6,5 + 3 x 28.200 €) zu rechnen. Es entsteht 2017 voraussichtlich ein Mehrbedarf in Höhe von 197.900 €.

 

Den Planungsgrundsätzen entsprechend soll zunächst bis 2019 der strukturelle Ausbau schrittweise um jährlich bis zu 3 Eltern-Kind-Zentren erfolgen. Damit entsteht jährlich bis 2019 ein Mehrbedarf von bis zu 84.600 € zuzüglich tariflicher Anpassung.

 

Stellungnahme der Kämmerei:

 

Die beabsichtigte Förderung der Personalkosten des sozialpädagogischen Fachpersonals weiterer Eltern-Kind-Zentren und der Ausbau der vorhandenen 7 Eltern-Kind-Zentren führen zu einer Erhöhung des Zuschussbedarfs im Bereich der Jugendhilfe im Haushaltsplan 2017 für das Jahr 2017 von 197.900 €. Der Zuschussbedarf soll sich 2018 (+ 84.600 €) und 2019 (+ 169.200 €) durch die Schaffung zusätzlicher Eltern-Kind-Zentren weiter erhöhen. Bei maximaler Inanspruchnahme der Richtlinie werden die jährlichen Aufwendungen für Eltern-Kind-Zentren ca. 465.000 € betragen. Darüber hinaus sind kontinuierlich die Auswirkungen der Tarifabschlüsse bei der Haushaltsplanung zu berücksichtigen.

 

Mit der vorgeschlagenen Richtlinie zur Förderung von Eltern-Kind-Zentren wird die Art und Weise sowie der Umfang bestimmt, in dem der § 22 des SGB VIII umgesetzt werden soll. Stimmt der Kreistag diesem Leistungsumfang zu, ergibt sich daraus ein notwendiger Finanzbedarf, der im Gesamthaushalt des Landkreises zu decken ist.

 

Die Haushaltssituation des Landkreises stellt sich gemäß Haushaltsplan 2016 wie folgt dar:

Der Haushaltsplan 2016 wurde vom Kreistag am 06.04.2016 mit einem Fehlbetrag in Höhe von 6,2 Mio € beschlossen. Ursache für den Fehlbetrag ist die Absenkung des Hebesatzes für die Kreisumlage auf 39,8 %. Diese Absenkung gilt nur für das Haushaltsjahr 2016. Folglich weist die mittelfristige Finanzplanung für die Jahre 2017 – 2019 Erträge aus der Kreisumlage aus, die mit 5,6 Mio € über den für das Jahr 2016 veranschlagten Erträgen liegen. Dennoch ergeben sich im Finanzplanungszeitraum Defizite in Millionenhöhe
(2017 = 4,7 Mio €, 2018 = 4,6 Mio €, 2019 = 5,0 Mio €).

 

Sollten sich die Schlüsselzuweisungen für den Landkreis oder/und die Umlagegrundlagen für die Berechnung der Kreisumlage 2017 ff nicht deutlich erhöhen, ist der sich aus der Umsetzung dieser Beschlussvorlage ergebende zusätzliche Finanzbedarf ggf. durch eine Erhöhung des Hebesatzes der Kreisumlage zu decken (§ 130 BbgKVerf).

 

gez. Wellmer

 

Anlagen:

 

Richtlinie zur Förderung von Eltern-Kind-Zentren gemäß § 22 SGB VIII im Landkreis Oder-Spree vom 05.10.2016