Beschlussvorschlag:
Der Kreistag beschließt die Richtlinie zur Förderung
von Eltern-Kind-Zentren gemäß § 22 Sozialgesetzbuch Achtes Buch, Kinder- und
Jugendhilfe (SGB VIII) im Landkreis
Oder-Spree.
Das Jugendamt ist gemäß § 22 SGB VIII (Förderung von Kindern in
Kindertageseinrichtungen) in der Verantwortung - zusätzlich zu
rechtsanspruchserfüllenden Angeboten der Kindertagesbetreuung - bedarfsgerechte
und geeignete kinderfördernde und familienunterstützende Angebote zu
installieren. Zielgruppe sind insbesondere Kinder im Alter von 0 bis 6 Jahren
und ihre Familien, sowie werdende Eltern. Eltern-Kind-Zentren sollen die
soziale, emotionale, körperliche und geistige Entwicklung des Kindes fördern
und die Erziehung und Bildung in der Familie unterstützen und ergänzen. Sie erfüllen
ihren Auftrag über eine ausgeprägte Vernetzung im Sozialraum und eine starke
Einbindung von verschiedenen Kooperationspartnern, wie Erziehungs- und Familienberatungsstellen,
Kinderärzte, Hebammen, lokale Netzwerke und Bündnisse für Kinder und Familien
unter Einbeziehung von Ehrenamtsstrukturen.
Seit mehreren Jahren fördert der Landkreis Eltern-Kind-Zentren im Amt
Odervorland, in den Städten Eisenhüttenstadt, Beeskow, Storkow und Erkner sowie
in den Gemeinden Grünheide und Woltersdorf mit jeweils 10.000 €. Eine kommunale
Co-Finanzierung wird gesichert. Die momentane inhaltliche Ausgestaltung und
Schwerpunktsetzung ist regional sehr unterschiedlich.
Es werden Bildungs-, Beratungs-, und Begegnungsangebote unterschieden. Die
Angebote werden von der jeweils verantwortlichen Fachkraft des
Eltern-Kind-Zentrums organisiert und durchgeführt. Je nach Thema bindet sie
auch Kooperationspartner/innen, wie Hebammen, Kinderärzt/innen, Logopäd/innen,
Physiotherapeut/innen oder Expert/innen aus Beratungsstellen ein.
Bildungsangebote finden z.B. zum Thema Alltagsbewältigung mit Kindern,
Ernährung, Meilensteine der kindlichen Entwicklung, Bewegung, Trennungskinder
und Kindeswohl statt. Zu den Beratungsangeboten gehören z.B. Erziehungs- und
Familienberatung, Stillberatung, Konfliktberatung und Sozialberatung.
Eingerahmt werden diese Angebote durch Begegnungsangebote, wie z.B.
Krabbelgruppen und Elterncafès.
Die Angebote der Eltern-Kind-Zentren richten sich grundsätzlich an alle
Eltern. Darüber hinaus werden Angebote für Eltern mit zusätzlichen
Unterstützungsbedarfen je nach Bedarfslage gezielt an den Eltern-Kind-Zentren
verortet.
Eine Befragung von 6 der 7 Eltern-Kind-Zentren (Woltersdorf konnte aus
personellen Gründen nicht an der Befragung teilnehmen) ergab, dass die aktuell
bestehenden Angebote von der Zielgruppe jährlich ca. 49.650 mal in Anspruch
genommen werden. Davon werden in etwa 28.490 mal Bildungsangebote, 17.540 mal
Begegnungsangebote und 3.620 mal Beratungsangebote in Anspruch genommen. Diese
Zahlen stellen eine Hochrechnung der aktuellen Angebotsstruktur für das Jahr
2016 und deren Inanspruchnahme dar. Besonders stark vertreten in den Angeboten
sind Personen in Elternzeit und Schwangere, darunter ein hoher Anteil
Alleinerziehender. Auch Berufstätige nehmen die Angebote wahr. Entsprechend
angepasst sind die Öffnungszeiten, Montag bis Freitag von 9.00 – 21.00 Uhr.
Positive Effekte durch die Angebote der Eltern-Kind-Zentren wurden von
Eltern, kommunalen Vertreter/innen, Vertreter/innen von Kindertagesstätten und
Kooperationspartner/innen im Rahmen der Befragung definiert. Beispiele dafür
sind:
Perspektive der Eltern/ Kinder:
- Schnelle und
unkomplizierte Hilfe in Ernährungs- und Entwicklungsfragen der Säuglinge
und Kleinkinder, Informations- und Erfahrungsaustausch
- Beratung in familiär
schwierigen Situationen und Überforderungssituationen
- Anregungen zur
sinnvollen kindgerechten und gesundheitsfördernden Freizeitgestaltung
durch vielfältige und kostenlose gemeinsame Kurse für Eltern und Kind
- Möglichkeit aus der
Isolation zu kommen, soziale Kontakte mit anderen Eltern und Kindern sowie
anderen Personen zu pflegen
- Unterstützung bei der
Strukturierung des Alltages mit Kind und beim Wiedereinstieg in das
Berufsleben
- Vermittlung in andere
Hilfssysteme, Rat in behördlichen Angelegenheiten
Perspektive der kommunalen Vertreter/innen (Beeskow, Eisenhüttenstadt,
Storkow, Erkner, Grünheide, Odervorland), der kooperierenden Kindertagesstätten
(6) und der Kooperationspartner/innen (stellvertretend nahmen 18 an der
Befragung teil):
- Zugang zu Eltern,
insbesondere zu isolierten, alleinstehenden Eltern möglich
- Familien erhalten
Überblickwissen und Kontaktvermittlung zu weiteren unterstützenden
Angeboten, wie z.B. Erziehungs- und Familienberatung, Schuldner- und
Insolvenzberatung, Mutter-Kind-Kuren, Pflege und Betreuung
- schließt
Betreuungslücke unmittelbar vor und nach der Geburt
- Eingewöhnung in Kita
wird dem Kind erleichtert
- kostenloses Angebot
grenzt niemanden aus
- regt Selbsthilfe und
Eigeninitiative der Eltern an
- gerade im
strukturschwachen ländlichen Raum ist es ein leicht erreichbares Angebot
im Lebensraum der Familien
- wichtiger Baustein für
kinder- und familienfreundliche Kommune und generationsübergreifendes
Zusammenleben
Perspektive des
Jugendamtes/ Allgemeiner Sozialer Dienst:
- Familien erhalten frühzeitig niedrigschwelligen Kontakt mit dem
System der Jugendhilfe und erhalten entsprechende Beratungs- und
Bildungsangebote
- die elterliche Sensibilisierung für die Bedürfnisse des Kindes wird
erhöht, was als allgemeines Schutzgut für ein Kind bewertet wird
- Familien in belastenden Situationen erhalten frühzeitig durch
Weitervermittlung zum Bereich der Hilfen zur Erziehung Unterstützungsangebote.
Somit wäre eine schnellere, bedarfsgerechte Hilfeinstallation möglich und
Familien können ihre Selbstlösungspotentiale eher aktivieren, was dem
Aufwachsen der Kinder in ungünstigen, problembehafteten Lebenslagen
entgegen wirkt.
- Im Bereich der Hilfen zur Erziehung sowie bei den Meldungen zum
Kinderschutz ist häufig die Familienform der Alleinerziehenden mit dem
Belastungsfaktor der sozialen Isolation, als Stressfaktor anzutreffen.
Durch die offenen Begegnungsangebote, als konstante Größe in der
Lebenswelt, wird einer Vereinsamung entgegengewirkt.
- durch die Begegnungsmöglichkeiten kommen Familien in Kontakt und
"Lernen" voneinander, wo bestimmte Sachfragen sich eher klären
lassen, als in einem professionellen Beratungssetting
Ziel ist folglich eine qualitative und quantitative Schärfung der
Angebotsstruktur im Landkreis. Im Rahmen der Jugendhilfeplanung, auf der
Grundlage von fortzuschreibenden „Planungsgrundsätzen zur Installierung von
Eltern-Kind-Zentren im Landkreis-Oder-Spree“ (Anlage zur Richtlinie) und in
Abstimmung mit den kreisangehörigen Ämtern, Städten und Gemeinden soll eine
ausgewogene und bedarfsgerechte Angebotsstruktur im Landkreis entwickelt
werden.
Danach soll in der Regel in jedem
kreisangehörigen Amt sowie jeder kreisangehörigen Stadt und Gemeinde des
Landkreises ein Eltern-Kind-Zentrum förderungsfähig sein. Bemessungsgrundlage
für die Förderhöhe ist die Anzahl dort lebender Kinder im Alter von 0 bis 6
Jahren. Förderungsfähig sind Personalkosten der
sozialpädagogischen Fachkraft und Sachaufwendungen:
- 1,0 VZE ab 400 bis 1.000 Kinder
- 0,5 VZE unter 400 Kinder.
Bei
über 1.000 Kindern (betrifft Eisenhüttenstadt und Fürstenwalde) sind maximal 2
Eltern-Kind-Zentren förderungsfähig. Mit diesen Städten wird bei Bedarf die
konkrete Stellenbemessung entsprechend ausgehandelt.
Die Angebotsstruktur bedarf einer angemessenen finanziellen
Grundausstattung. Die Förderung von Personalkosten und Sachaufwendungen soll
die Kontinuität der Eltern-Kind- Zentren und die Planungssicherheit für die
Träger gewährleisten.
Die tatsächlichen Personalkosten von sozialpädagogischen Fachkräften bis
zur Höhe einer vergleichbaren Vergütung nach dem TVöD/ Beschäftigte im Sozial-
und Erziehungsdienst sind mit 50 % zuwendungsfähig. 20 % der geförderten
Personalkosten werden zur Finanzierung der Sachaufwendungen bereitgestellt.
Eine entsprechende Mitfinanzierung der kreisangehörigen Ämter, Städte und
Gemeinden ist Voraussetzung.
Finanzielle Auswirkungen:
Die Richtlinie
sieht die Förderung der Personalkosten des sozialpädagogischen Fachpersonals
der Eltern-Kind-Zentren und der in diesem Rahmen entstehenden Sachaufwendungen
vor.
Im Jahr 2017 ist von Personalkosten für 1,0
VZE von ca. 47.000 €/ Jahr auszugehen (davon 50%= 23.500 €/ Jahr Zuschuss
Personalkosten plus 20% des Personalkostenzuschusses = 4.700 €/ Jahr Zuschuss Sachaufwendungen). Der
Gesamtzuschuss für 1,0 VZE in 2017 beträgt folglich 28.200 €.
Für 7 bereits mit jeweils 10.000 € geförderte Eltern- Kind-Zentren
werden bereits jährlich 70.000 € geplant. Im Jahr 2017 ist von einem Erhalt
dieser und ihrem qualitativen Ausbau auszugehen sowie von 3 weiteren neu zu
installierenden Zentren. Somit ist mit einem Ge-samtzuschussbedarf von
insgesamt 267.900 € (6,5 + 3 x 28.200 €) zu rechnen. Es entsteht 2017
voraussichtlich ein Mehrbedarf in Höhe von 197.900 €.
Den Planungsgrundsätzen entsprechend soll
zunächst bis 2019 der strukturelle Ausbau schrittweise um jährlich bis zu 3
Eltern-Kind-Zentren erfolgen. Damit entsteht jährlich bis 2019 ein Mehrbedarf
von bis zu 84.600 € zuzüglich tariflicher Anpassung.
Stellungnahme
der Kämmerei:
Die beabsichtigte Förderung der
Personalkosten des sozialpädagogischen Fachpersonals weiterer
Eltern-Kind-Zentren und der Ausbau der vorhandenen 7 Eltern-Kind-Zentren führen
zu einer Erhöhung des Zuschussbedarfs im Bereich der Jugendhilfe im
Haushaltsplan 2017 für das Jahr 2017 von 197.900 €. Der Zuschussbedarf soll
sich 2018 (+ 84.600 €) und 2019 (+ 169.200 €) durch die Schaffung zusätzlicher
Eltern-Kind-Zentren weiter erhöhen. Bei maximaler Inanspruchnahme der
Richtlinie werden die jährlichen Aufwendungen für Eltern-Kind-Zentren ca.
465.000 € betragen. Darüber hinaus sind kontinuierlich die Auswirkungen der
Tarifabschlüsse bei der Haushaltsplanung zu berücksichtigen.
Mit der vorgeschlagenen Richtlinie zur
Förderung von Eltern-Kind-Zentren wird die Art und Weise sowie der Umfang
bestimmt, in dem der § 22 des SGB VIII umgesetzt werden soll. Stimmt der
Kreistag diesem Leistungsumfang zu, ergibt sich daraus ein notwendiger
Finanzbedarf, der im Gesamthaushalt des Landkreises zu decken ist.
Die Haushaltssituation des Landkreises
stellt sich gemäß Haushaltsplan 2016 wie folgt dar:
Der Haushaltsplan 2016 wurde vom Kreistag am
06.04.2016 mit einem Fehlbetrag in Höhe von 6,2 Mio € beschlossen. Ursache für
den Fehlbetrag ist die Absenkung des Hebesatzes für die Kreisumlage auf 39,8 %.
Diese Absenkung gilt nur für das Haushaltsjahr 2016. Folglich weist die
mittelfristige Finanzplanung für die Jahre 2017 – 2019 Erträge aus der
Kreisumlage aus, die mit 5,6 Mio € über den für das Jahr 2016 veranschlagten
Erträgen liegen. Dennoch ergeben sich im Finanzplanungszeitraum Defizite in
Millionenhöhe
(2017 = 4,7 Mio €, 2018 = 4,6 Mio €, 2019 = 5,0 Mio €).
Sollten sich die Schlüsselzuweisungen für
den Landkreis oder/und die Umlagegrundlagen für die Berechnung der Kreisumlage
2017 ff nicht deutlich erhöhen, ist der sich aus der Umsetzung dieser
Beschlussvorlage ergebende zusätzliche Finanzbedarf ggf. durch eine Erhöhung
des Hebesatzes der Kreisumlage zu decken (§ 130 BbgKVerf).
gez. Wellmer
Richtlinie
zur Förderung von Eltern-Kind-Zentren gemäß § 22 SGB VIII im Landkreis
Oder-Spree vom 05.10.2016