Sitzung: 22.08.2012 Ausschuss für Bauen, Umwelt und Verkehr
Vorlage: 038/2012
Herr Buhrke, Dezernent für
Finanzen, Ordnung und Innenverwaltung führt die Anwesenden kurz in die Thematik
des Tagesordnungspunktes ein und stellt Herrn Dr. Günzel der PROZIV, Verkehrs-
und Regionalplaner, Partnergesellschaft als beauftragten Gutachter des
aufgestellten Nahverkehrsplanes 2012-2016 für den übrigen ÖPNV im Landkreis
Oder-Spree vor.
Herr Dr. Günzel übernimmt den
Vortrag und stellt an Hand einer Präsentation die Eckpunkte des
Nahverkehrsplanes 2012-2016 vor.
Dabei stehen die folgenden
Aspekte im Vordergrund: die Notwendigkeit und Ziele der Fortschreibung; das
Beteiligungsverfahren; die Analyseergebnisse aus Angebot und Nachfrage; die
Strukturdaten und Fahrgastprognose; die Rahmenplanung der Angebotsentwicklung;
die Organisation, Vergabe, das Controlling und die Wirtschaftlichkeit und
Finanzierungsplanung.
Für die Fortschreibung des
Nahverkehrsplanes sprachen im Wesentlichen formal fachliche Gründe, wie
Veränderungen bei den Strukturdaten (Einwohner, Schüler, Pendler) oder bei den
Fahrgastzahlen, welche wiederum Einfluss auf die Einnahmesituation der
Verkehrsunternehmen haben. Aber auch die dynamische Kostenentwicklung für die
Durchführung des ÖPNV oder der vorliegende Rechtsrahmen gaben einen entsprechenden
Anlass.
Als verkehrs- und
finanzpolitische Zielstellungen wurden formuliert, die Haltung des Angebots-
und Qualitätsniveaus mit gezielten Verbesserungen, die Vermeidung finanzieller
Mehrbelastungen des Kreishaushaltes und die Verminderung von Nachteilen aus der
Fortschreibung des Landesnahverkehrsplanes. Die fachplanerischen Zielstellungen
bestehen in der Prüfung der Bedienstandards, sachgerechten Integration aller
Änderungstatbestände, Bereitstellung der Grundlagen für anstehende
Leistungsvergaben und weiteren Modernisierung und Bedarfsanpassung des
Angebotssystems.
Der Entwurf des
Nahverkehrsplanes wurde in ein Beteiligungsverfahren gegeben, an dem diverse
Träger öffentlicher Belange, wie Ämter und Behörden der Kreisverwaltung
Oder-Spree, Kommunen, Nachbarkreise, Verkehrsunternehmen, Regionale Planungsgemeinschaft
Oderland-Spree, Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg, Nahverkehrsbeirat,
einbezogen worden sind. Insgesamt wurden 69 Einwendungen und Hinweise von 23
Teilnehmern abgegeben, die je nach Sachlage Berücksichtigung fanden.
Herr Dr. Günzel leitet
nunmehr zu den Analyseergebnissen die dem Nahverkehrsplan zu Grunde liegen
über.
Im Landkreis Oder-Spree ist
ein flächendeckendes ÖPNV – Netz, welches jedoch räumlich differenziert
betrachtet werden muss, vorhanden. Einen bedeutenden Anteil in diesem Netz
nimmt der Schienenpersonennahverkehr ein. An Hand von Grafiken wird die
Angebotshäufigkeit an Schultagen, an Ferientagen und an Samstagen im ÖPNV –
Netz des LOS dargestellt. Dabei ist festzustellen, dass die Angebotshäufigkeit
an Ferien- und Samstagen jeweils über den üblichen Durchschnittswerten liegt.
Im Weiteren wird Gleiches für die Stadtverkehre in Fürstenwalde und
Eisenhüttenstadt analysiert. Zur Thematik Verknüpfungen aus Bahn und Bus sowie
Bus und Bus ist analysiert worden, dass sowohl an den Hauptverknüpfungspunkten
und an den weiteren Verknüpfungspunkten gute Ergebnisse in Bezug auf den
erreichten Anteil der realisierten Verknüpfungen zu verzeichnen sind. Dies
trifft auch für die neu eingerichteten Verknüpfungspunkte in Bad Saarow und
Wendisch Rietz zu. Die Nachfrage im übrigen ÖPNV hat sich hingegen im Vergleich
zu 2006 nicht positiv entwickelt. So musste ein Gesamtrückgang bei den
Beförderungsfällen von 14% festgestellt werden. Im Vergleich zu anderen
Landkreisen in Brandenburg liegt der LOS mit knapp 39 Fahrten pro Einwohner im
Jahr über dem Durchschnittswert von 34 F/EW*a. Der Anteil des Schülerverkehrs
ging in diesem Zeitraum auf 53,8% zurück. Des Weiteren wurde analysiert, dass
eine relativ gute Überdeckung zwischen Nachfrage und Angebotsachsen im
Landkreis besteht.
Als nächstes wird die
Entwicklung der Hauptstrukturdaten dargestellt. Dazu gehören die Entwicklung
der Einwohner, der Arbeitsplätze, des Pendleraufkommens, der Schüler- und
Azubildenden und des Motorisierungsgrades. Als eine wichtige Erkenntnis ist zu
berücksichtigen, dass erst nach 2015 mit rückläufigen Werten bei den
Schülerzahlen und dem Pendleraufkommen zu rechnen ist. In diesem Zusammenhang
ist die Pendlerentwicklung von 2005 – 2011 zu sehen, die durchweg von
steigenden Zahlen gekennzeichnet ist. In Bezug auf die Entwicklung der
Schülerzahlen und Schulstandorte liegt aktuell keine Gefährdungssituation vor.
Auf Grund der Prognosen muss man sich aber ab 2015 erneut mit der Problematik
auseinandersetzen.
Herr Dr. Günzel kommt im Rahmen
seines Vortrages nunmehr zu den verkehrspolitischen Zielen des
Nahverkehrsplanes und dem finanziellen Handlungsrahmen.
Grundsätzlich haben sich die
bisherigen Zielstellungen bewährt, so dass sie mit Ergänzungen und neuen
Gewichtungen bestätigt werden können. In den finanziellen Handlungsrahmen wird
mit aufgenommen, dass die Zielerreichung mit möglichst geringer finanzieller
Mehrbelastung erfolgen soll und Kostenanstiege durch technologische
Optimierung, Bedarfsfahrten und notfalls durch Angebotsreduzierung kompensiert
werden.
Ein weiterer wichtiger Punkt
sind die Planungen im Schienenpersonennahverkehr [SPNV]. Hier geht es um die
Korrektur der Forderung zur Anbindung an den Flughafen BER, da dieselgetriebene
Fahrzeuge nicht in den Bahnhofstunnel einfahren dürfen und um die Unterstützung
der Bemühungen zur Verlängerung der OE 35 bis Bad Saarow Süd. Des Weiteren
spielt die Frage der Zuständigkeiten im Bereich des SPNV eine Rolle, auf dessen
Bestellung der Landkreis wenig Einfluss ausüben kann. Da gegenwärtig auch die
Fortschreibung des Landesnahverkehrsplanes stattfindet, ist diesbezüglich auf
nachteilige Veränderungen, wie zum Beispiel beabsichtigte Schließungen schwach
nachgefragter Zugangstellen, zu achten. Im LOS könnten davon Zugänge zur Linie
OE 36 betroffen sein. Die Kreisverwaltung hat bereits in dieser Hinsicht eine
Stellungnahme an das Land Brandenburg gerichtet. Besonders problematisch
erscheint die Zielnetzplanung 2013 des LNVP. Sie sieht u. a. eine
Angebotsreduzierung bei Fahrten des RE 1 zwischen Frankfurt / Oder und
Eisenhüttenstadt, eine Angebotsreduzierung beim Takt von 60 min auf 120 min am
Wochenende bei der OE 36 zwischen Beeskow und Frankfurt / Oder und eine
Einstellung der Förderung der Buslinie X 403 zwischen Beeskow und Fürstenwalde zum
Fahrplanwechsel im Dezember 2012 vor. Die Kreisverwaltung hat sich auch gegen
diese Maßnahmen bereits mit entsprechenden Begründungen positioniert.
Herr Dr. Günzel leitet
nunmehr zum Maßnahmeplan des NVP über. Grundsätzlich geht es um die
Beibehaltung der Mindestbedienungsstandards. Die Vorgaben werden hierfür aus
den Einwohnerzahlen der Siedlungseinheiten, der Reisezeitvorgaben zur
Erreichbarkeit von zentralen Orten, der Verbindlichkeit der Reisezeiten, den
Reisezeitvorgaben für den Schülerverkehr und den Festlegungen für die
Stadtverkehre formuliert. In diesem Zusammenhang werden die Ist-Werte zur
Erreichbarkeit zentraler Orte an verschiedenen Wochentagen erläutert.
Die Weiterentwicklung des
Angebots im übrigen ÖPNV sieht eine konsequente Vervollkommnung der
Hierarchisierung zwischen den Anforderungen des Haupt- und Ergänzungsnetzes
vor. An Hand einer Grafik werden hierzu räumlich die Netzkategorisierungen, die
Verknüpfungspunkte und neu aufgenommen die Rufbusgebiete verdeutlicht.
Weitere Angaben und Planungsansätze
werden für die Stadt- und Regionalverkehre erläutert. Mit Blick auf die
Angebotsqualität des Busverkehres, ergeben sich Präzisierungen für das Vergabeverfahren
im Jahr 2016, denn den Kriterien Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Ausstattung
der Haltestellen, Personal- und Fahrzeugeinsatz wird dann noch mehr Gewicht
beigemessen werden. Wobei für Busse die Nutzungsdauer von 12 auf 14 Jahre und
die Laufleistung von 600 auf 700 Tkm angehoben wird. Zu den Entwicklungen bei
der Fahrgastnachfrage bis 2016 ergeben sich folgende Perspektiven: die starken
Rückgänge bei den Gesamtwerten setzen sich wegen zeitweilig positiver
Entwicklung der Schülerzahlen nicht fort, das Mehraufkommen der Fahrschüler
kann das Minderaufkommen der „sonstigen“ Fahrgäste ausgleichen, der Anteil des
Schülerverkehrs nimmt wieder zu und erreicht 54% am Gesamtverkehr, die
Fahrgastnachfrage entwickelt sich weiter räumlich differenziert (Berliner
Umland stabil/zunehmend sonst rückläufig; Stadtverkehr Fürstenwalde
stabil/zunehmend – Stadtverkehr Eisenhüttenstadt rückläufig). Zur Organisation
erläutert Herr Dr. Günzel einige rechtliche Rahmenbedingungen, die es zu
berücksichtigen gilt. Dies hat u. a. Auswirkungen auf die Leistungsvergabe
wonach die bisherige Vergabepraxis nicht weiter geführt werden kann, sondern
durch ein förmliches Vergabeverfahren ersetzt werden muss. Eine Grundlage
hierfür ist die Linienbündelung, die mit dem NVP neu zu beschließen ist.
Im nächsten Punkt wird die
Wirtschaftlichkeitsentwicklung erörtert. Die Ausgangslage manifestiert sich in
einer erheblichen Verbesserung der Wirtschaftlichkeit bei allen Unternehmen.
Aus der künftigen Leistungsentwicklung resultiert prinzipiell kein Mehraufwand,
wogegen steigende Treibstoffkosten und die Entwicklung der Inflationsrate Mehraufwendungen
entstehen lassen, die wiederum die Unternehmen zu Preisverhandlungen
veranlassen. Die Ertragsentwicklung ist durch folgende Eckpunkte
gekennzeichnet: Mehreinnahmen resultieren durch Anstieg der Beförderungstarife
von 13% bis 2016, die Entwicklung der Fahrgastnachfrage wirkt insgesamt
neutral, Unwägbarkeiten bestehen bei der Landesmittelbereitstellung ab 2014/15.
Mit Blick auf die Finanzierung der bestehenden Bedarfe bedeutet dies für den
Aufgabenträger (LOS) ein wachsendes Risiko und eine finanzielle Mehrbelastung
bei Rückführung oder Komplettausfall der Landesmittel.
Abschließend erläutert Herr
Dr. Günzel das weitere Verfahren bis zur avisierten Bestätigung des NVP im
Kreistag am 19.09.2012.
Herr Rump informiert als
Vorsitzender des Nahverkehrsbeirates über den Verlauf und die Ergebnisse der
Diskussion zum NVP im Nahverkehrsbeirat. Der Nahverkehrsbeirat bestätigte den
NVP im Rahmen der Beiratssitzung am gleichen Tage.
Herr Engert regt an
Umsteigemöglichkeiten in Bezug auf die grenzüberschreitenden Verkehre von
Landkreis zu Landkreis zu schaffen. Herr Dr. Günzel erläutert dazu, dass die
grenzüberschreitenden Verkehre zunehmend zurückgefahren werden, insbesondere
wegen der schwachen Nachfrage.
Herr Kaufmann setzt auf eine
bessere Kommunikation mit den südlichen Landkreisen, um die Zusammenarbeit zu
intensivieren.
Frau Prof. Böhm beurteilt die
Berücksichtigung von alternativen Bedienformen als positiv und sieht hier eine
Weiterentwicklung gegenüber dem bestehenden Nahverkehrplan.
Herr Kaufmann kritisiert den
Qualitätseinbruch bei der Linie RE 1.
Herr Engert erläutert die
Haltesystematik des RE 1 auf der Strecke zwischen Erkner und Frankfurt/Oder
sowie zwischen Frankfurt/Oder und Eisenhüttenstadt und beanstandet die je nach
Ziel entstehenden Wartezeiten für die Fahrgäste.
Nach Auffassung des Herrn Dr.
Günzel bestehen kaum Möglichkeiten, um Einfluss auf das Fahrregime zu nehmen.
Deswegen sollten bestehende Hinweise, Anregungen und Einwendungen in den
laufenden Fortschreibungsprozess zum Landesnahverkehrsplan eingebracht werden.
Mit Bezug auf die Einstellung
der Förderung für die Buslinie X 403 durch das Land Brandenburg möchte Herr
Noppe wissen, welche Ersatzmaßnahmen geplant sind.
Herr Buhrke teilt mit, dass
gegenwärtig geeignete Maßnahmen untersucht werden und erläutert den Anwesenden
die Zusammenhänge zwischen SPNV - Bestellung, (landesbedeutsamer) Buslinie und
Finanzierungsmodalitäten des Landes Brandenburg.
Herr Kirchner (anwesender
Bürger) möchte wissen, mit welcher Methode die Fahrgastzahlen ermittelt werden.
Herr Dr. Günzel erklärt
daraufhin das Verfahren zur Fahrgastermittlung, demnach wird auf Grundlage
eines Kriteriengerüstes eine periodische Erhebung vorgenommen. Herr Hellmich
ergänzt dazu, dass jedes Jahr zwischen März und April eine Potentialabfrage bei
den Kommunen, Schulen und anderen Bedarfsträgern zur Datenbeschaffung erfolgt.
Herr Rump macht auf die
aktuell vorliegende Studie „vergleichende Analyse der Pendlerverflechtungen und
Arbeitsplatzverteilung in der Region Oderland-Spree“ aufmerksam, deren
Ergebnisse bei entsprechendem Bedarf genutzt werden können.
Es folgt die
Beschlussfassung.
8 x Ja-Stimmen, einstimmig
(Frau Tschierschky war bei der Abstimmung nicht im Raum)